Digital Gender Gap: Frauen schneiden bei Digitalisierung schlechter ab als Männer

Frauen schneiden bei Aspekten rund um die Digitalisierung durchwegs schlechter ab als Männer, zeigt eine Analyse der Initiative D21, was Gegensteuern erfordere.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 203 Kommentare lesen
Digital Gender Gap: Frauen kriegen deutlich weniger Diensthandys als Männer

(Bild: pixabay.com)

Lesezeit: 4 Min.
Inhaltsverzeichnis

Frauen erreichen im Digital-Index der Initiative D21 über alle soziodemografischen Merkmale hinweg einen geringeren Digitalisierungsgrad als Männer. Dies geht aus einer am Montag veröffentlichten Sonderauswertung der Studie zum digitalen Lagebild der Republik für die Jahre 2018/19 hervor. Männer kommen demnach bei dem Index, der für den Grad der gesellschaftlichen Digitalisierung der Bevölkerung in Privat- und Arbeitsleben stehen soll und sich auf einer Skala zwischen Null und 100 bewegt, auf 61 Punkte, Frauen nur auf 51.

Die Forscher verorten Angehörige des weiblichen Geschlechts mit dem speziellen Fokus auf das Datenmaterial aus 2018 überdurchschnittlich oft in der Gruppe der "digital Abseitsstehenden". Der Zirkel der einschlägigen Pioniere ist dagegen überwiegend männlich besetzt. Dass die digitale Kluft vielfach entlang von Faktoren wie Alter, Bildung, Einkommen und eben auch Geschlecht verläuft, ist seit Langem bekannt. Die Analyse bietet aber neue Einsichten in den Grad des ausgemachten "Digital Gender Gap".

Bei allen inhaltlichen Index-Säulen, also den Bereichen Zugang, Einstellung und Offenheit, Kompetenz sowie Nutzungsvielfalt, weisen Frauen geringere Werte als Männer auf. Sie schätzen ihre Fertigkeiten zur Bedienung einzelner Anwendungen wie Office-Programmen und der Kenntnis von Fachbegriffen rund um Computer und Internet wie Darknet oder Künstliche Intelligenz teils um bis zu 25 Prozent niedriger ein, erzielen auch beim Interesse an Digitalthemen oder bei der Wissensaneignung jeweils geringere Werte. Bei den älteren Generationen sind die Unterschiede dabei deutlich stärker ausgeprägt als bei den jüngeren, doch auch bei den 14- bis 24-Jährigen sind sie sichtbar.

So können nach eigenen Angaben etwa nur 19 Prozent der Frauen über 66 Dateien wie Fotos von einem Gerät auf ein anderes übertragen, während 48 Prozent der Männer dazu fähig sind. 71 Prozent der Mädchen und weiblichen Twens bis einschließlich 24 sagen, dass sie auf dem Computer Texte und Präsentationen erstellen und Berechnungen mit einem Tabellenkalkulationsprogramm durchführen können. Beim "starken Geschlecht" sind es hier 82 Prozent.

Ein Netzwerk zuhause oder im Büro können 75 Prozent der Männer nach ihrer Darstellung einrichten, aber nur 37 Prozent der Frauen. Wenn es darum geht, mindestens eine Programmiersprache zu beherrschen, stehen 23 Prozent elf Prozent gegenüber. Berücksichtigt werden muss dabei aber, dass Frauen selbst bei objektiv gleichen Leistungen dazu neigen, sich in stereotyp besetzten Kompetenzfeldern wie Mathematik und Technik geringere Fähigkeiten zuzuschreiben als Männern.

In stereotyp besetzten Kompetenzfeldern wie Mathematik und Technik schreiben sich Frauen trotz objektiv gleicher Leistungen oft geringere Fähigkeiten zu – sogar wie hier unter jungen Menschen.

(Bild: Initiative D21)

Auch im Berufsleben gibt es strukturelle Unterschiede: Bei Büroarbeitsplätzen etwa zeigt sich, dass in Vollzeit tätige Männer deutlich häufiger als Frauen mit mobilen Geräten ausgestattet sind und Zugang zu digitalen Anwendungen wie Videokonferenzsystemen erhalten. 56 Prozent der männlichen Mitarbeiter erhalten etwa Laptops, bei den weiblichen sind es 36 Prozent. Verstärkt wird diese strukturelle Ungleichheit dadurch, dass mit 48 Prozent fast die Hälfte der Teilzeitbeschäftigten mit höherem Frauenanteil angibt, keine Geräte oder Kollaborationswerkzeuge zu haben.

Männer arbeiten ferner öfter im Homeoffice (18 vs. 14 Prozent), sehen mobiles Arbeiten und die Digitalisierung generell auch häufiger als Frauen als Chance für eine bessere Vereinbarkeit von Arbeits- und Privatleben (53 zu 43 Prozent). Die traditionelle Rollenverteilung zwischen den Geschlechtern scheint sich so eher noch zu verstärken.

Auch im Berufsleben gibt es strukturelle Unterschiede zwischen den Geschlechtern.

(Bild: Initiative D21)

D21 empfiehlt angesichts der Ergebnisse, dass Aus- und Weiterbildungsangebote im Interesse von mehr Chancengleichheit "geschlechtsspezifische Sozialisationsprozesse und ihre Auswirkungen auf den Kompetenzerwerb sowie die Vielfalt innerhalb der Geschlechter berücksichtigen" sollten. Unternehmen, Verwaltungen und Organisationen, die alle ihre Mitarbeiter gleichermaßen mit digitalen Werkzeugen und Anwendungen ausstatten, entsprechend schulen und damit attraktive flexible Arbeitsformen ermöglichen, müssten "ausgezeichnet und sichtbar gemacht werden".

Das Netzwerk aus Politik und Wirtschaft macht sich zudem dafür stark, Weiterbildungen zu digitalen Kompetenzen für pädagogische Fachkräfte "gendergerecht" zu gestalten. Unterschiedliche soziale Rollen, die weiblich oder männlich konnotiert sind, sollten entlang der gesamten Bildungskette berücksichtigt werden. D21-Präsident Hannes Schwaderer betonte, Frauen und Männer müssten etwa die gleichen Chancen haben, von mobilem Arbeiten, also räumlicher und zeitlicher Flexibilität, zu profitieren". Digitalgeräte dürften "kein Statussymbol für bestimmte Positionen im Job" sein. (tiw)