Regierungsstudie: Händler sollen mit KI mahnen

Das Wirtschaftsministerium hat Perspektiven der Künstlichen Intelligenz für den Einzelhandel ausgelotet und das Potenzial konkreter Anwendungen analysiert.

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Regierungsstudie: Händler sollen mit KI mahnen

(Bild: BMWI)

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Künstliche Intelligenz (KI) wird für den Einzelhandel immer interessanter und das Einkaufsverhalten stark verändern. Das meinen Experten vom Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI), vom EHI Retail Institute und der Berliner Firma Youse in einer vom Bundeswirtschaftsministerium beauftragten Studie.

Angesichts der "zunehmend angespannten" Wettbewerbssituation im stationären Bereich befähigt die Schlüsseltechnik laut der Untersuchung die Händler, besser die Erwartungen der Kunden zu berücksichtigen, "dass Produktinformationen, Beratung, Auswahl, Kauf, Preis, Rabattierung, Zahlungsart, Lieferung oder Umtausch der Waren jederzeit und über jeden 'Kanal' erledigt werden können".

Mit Hilfe von Messwerten über bisherige Verkäufe, Wetterinformationen, Preisaktionen von Wettbewerbern und Werbeaktivitäten könnten Muster und Zusammenhänge erkannt und Aussagen über künftige Absätze getroffen werden. KI könne angewendet werden für Preis- oder Sortimentsplanungen, für Bestandsmanagement, "Kommissionierung durch Roboter" und selbstfahrende Lkw in Filialen für die Inventur, Betrugserkennung oder personalisierte Werbung. Dazu kämen eine virtuelle Anprobe, personalisierte Produktempfehlungen oder Chatbots im Service.

In einer Übersicht zur Studie wird auch ein "intelligentes Mahnverfahren" ins Spiel gebracht. Der stationäre und der Online-Handel sind demnach darauf angewiesen, dass die Kundschaft ihre Rechnungen vollständig und fristgemäß für gelieferte Waren und Dienstleistungen begleicht. Ein KI-basiertes Mahnwesen könne hier den klassischen Weg per Post ergänzen und per SMS, E-Mail oder Messenger zur Ansprache säumiger Zahler nutzen.

Ein solches System erkenne Probleme oder offene Forderungen frühzeitig. "Somit werden auch präventiv Personen erreicht, bei denen nicht Unwille oder fehlende Liquidität der Grund für eine Zahlungsverzögerung ist." Per Algorithmus könne entschieden werden, wann, über welchen Kanal und in welchem Ton eine Person angesprochen werden sollte. KI unterstütze das Servicezentrum mit Vorschlägen für Zahlungsoptionen und -fristen. So könnten die Zahl der Inkasso-Fälle und "gleichzeitig Kosten und Ärger für Unternehmen und Kundschaft" minimiert werden.

Die befragten Handelsfirmen nutzen KI laut Studie bereits am häufigsten für das Bestandsmanagement, die Betrugserkennung und das personalisierte Marketing. Pläne für konkrete Projekte gebe es vor allem im Bereich der Sortimentsgestaltung. Der stationäre Handel liebäugele oft mit "Self-Checkout-Projekten", bei denen etwa über eine App ein virtueller Einkaufswagen als Abbild des realen erstellt und automatisch abgerechnet wird. Oft seien der erforderliche Digitalisierungsgrad und eine hochwertige Datenbasis aber noch nicht vorhanden.

Die Branche könnte dank KI-Systemen die Effizienz steigern und "Mitarbeitende von anstrengenden oder zeitraubenden Routinetätigkeiten entlasten". Gleichzeitig lasse sich eine höhere Qualität geschäftlicher Weichenstellungen herbeiführen. "Ein Einsatz von Algorithmen darf nicht zu intransparenten und potentiell unkontrollierbaren Entscheidungsprozessen führen. Es ist also notwendig, die klare Verantwortlichkeit des Menschen sicherzustellen und die Grundlage der angewandten Technologie offen und klar zu kommunizieren", meinen die Studienautoren. (anw)