Gepflegtes Chaos, aber maschinell eingetaktet

Sollen doch alles die Maschinen machen. Oder vielleicht doch nicht, sonst hört das alles nie auf. "Das alles"? Alles, vor allem die Anrufe von Maschinen an uns und weiter zu Maschinen

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Robocalls sind hier in Europa nicht wirklich ein Problem. Wenn man von Outboundcalls genervt wird, dann sitzt da immer noch eine treulich bemühte Fachkraft am Hörer. Die mag vielleicht in einem Callcenter in Indien oder in Dublin sitzen, aber es handelt sich immer noch um einen Menschen. In den USA kann es einfach eine Stimme vom Band sein. Man geht schon gar nicht davon aus, dass am Kundenende der Leitung jemand "ja, ich will" sagt und einen Staubsauger kauft. Es geht einfach darum, akkustische Bandenwerbung mit Dauerberieselungseffekt im Ohr eines Konsumenten zu platzieren. Dementsprechend häufig und nervig sind diese Calls.

First Orion sagte für 2019 sage und schreibe 50 Prozent aller Anrufe als Scam Calls voraus. Gut, das ist dann nicht wirklich eingetroffen und First Orion hat als Anbieter von Call-Blockern natürlich ein Interesse, das Problem ein wenig größer darzustellen, als es ist. Schätzungen gehen aber immer noch von 3.7% aller Anrufe durch Maschinen aus. Und jeder US-Bürger bekommt durchschnittlich 18 Spamanrufe im Monat. Das ist Problem genug.

Aber es gibt ja Maschinen gegen alles. Und jetzt gibt es eine App, die automatisch solche Robocalls unterbricht und den Anrufer verklagt . Uff, das könnte lustig werden, wenn solch eine Maschine gegen andere Maschinen Kommunikations-Amok läuft. Dann steht man eines Tages fassungslos vor mindestens 18 Klagen pro Monat, und die Rate steigt stark an, weil dann vielleicht die Robocall Company mit einer "Jetzt erst recht"-Attitüde so richtig in die Vollen geht und einen Motzanruf nach dem anderen absetzt ... und deshalb gleich wieder verklagt wird. Automatisch. Maschinen können da etwas engstirnig sein.

In der Eskalation eines aus Überlastung zusammenbrechenden Gerichtswesens in den USA beginnen dann die Richter auch auf Automatik umzustellen und lassen eine App die Klagen abarbeiten. So kann der Zirkel von Anruf-Klage-Stattgegeben oder Abgelehnt-Urteil-Anruf ... sehr, sehr schnell Fahrt gewinnen. Und am Ende weiterer Monate ist man als Kunde zu spät daran, mindestens einer der Maschinen Einhalt zu gewähren, und pleite.

Was einem dann bleibt?

Selbst in einem Callcenter die Abendschicht übernehmen und anfangen, wenigstens ein bisschen der Gerichtskosten zurückzuzahlen.