Idlib: Erdogan droht mit militärischer Aktion

HTS-Milizenkämpfer mit Dschihad-Aufnäher. Bild: Elijah J. Magnier/Twitter Quelle des Fotos: Ebaa-News Agency/Hayat Tharir ash-Sham (HTS)

"Wir sind entschlossen, Idlib zu jedem Preis sicher für seine Bewohner und die Türkei zu machen". Der Preis ist in jedem Fall hoch. Der Propagandaaufwand auch

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Als der türkische Präsident zuletzt warnte: "Wir könnten plötzlich eines Nachts kommen", folgte kurz darauf die Invasion türkischer Truppen im Nordosten Syriens. Die Warnung ist also schon ernst zu nehmen.

Erdogan wiederholte sie heute bei seiner Rede vor der AKP-Fraktion. Wie schon bei vorherigen Operationen gelte auch für Idlib, dass "wir plötzlich eines Nachts kommen können".

Wir werden Idlib nicht aufgeben und dem Regime überlassen, das nicht dazu imstande ist, die Entschlossenheit der Türkei in dieser Angelegenheit zu erfassen (…). Wir werden es unter keinen Umständen zulassen, dass wir eine Extralast schultern, die die Entwicklungen in der Region unserem Land aufbürden. Wir sind entschlossen, Idlib zu jedem Preis sicher für seine Bewohner und die Türkei zu machen.

Recep Tayyip Erdogan

"Wollen wir hoffen, dass das schlimmste Szenario nicht Wirklichkeit wird", so die Reaktion des Sprechers des russischen Präsidenten, Dmitri Peskow. "Wenn dies eine Operation gegen die legitime Regierung Syriens und der syrischen Streitkräfte ist, dann wird es definitiv das schlimmste Szenario sein."

Peskow verwies darauf, dass Russland in Kontakt mit der Türkei bleibe, um eine weitere Eskalation in Idlib zu verhindern. Auch Erdogan sprach heute davon, dass die Verhandlungen fortgeführt werden, aber sie würden bisher "weit hinter dem zurückbleiben", was sich die Türkei wünsche, weswegen man auf die Umsetzung der Operation in Idlib vollends vorbereitet sei.

Unzufrieden über Verhandlungen mit Russland

Über den Stand der Verhandlungen ist öffentlich nichts Verlässliches bekannt. Der französische Nahost-Reporter Georges Malbrunot (Vier Monate auf dem Planeten Bin Laden) veröffentlicht einen im Netz kursierenden russischen Vorschlag, der einen 16 Kilometer breiten Streifen in Idlib unter die Kontrolle der Türkei stellen würde. Allerdings würde der Vorschlag auch bedeuten, dass die Türkei die Beobachtungsposten aufgeben müsste.

Das Letztere ist der neuralgische Punkt. Die Türkei verlangt von der syrischen Regierung, dass sie sich aus einer Zone in Idlib zurückzieht, wie dies angeblich in den Abmachungen von Sotschi im September 2018 so vereinbart worden sei. Sie hält an den Beobachtungsposten fest, da sie eine Einflusszone markieren.

Die Aufgabe dieser Posten würde bedeuten, dass die syrische Regierung in diesem Gebiet freie Hand hat. Die Obstination der Türkei, dass sich die syrische Armee aus Idlib zurückziehen soll, ist eine Anmaßung - als ob Ankara der syrischen Regierung auf deren Staatsgebiet sagen könne, wo sie ihre Armee einsetzen darf …

Druck durch Flüchtlinge

Dem ist entgegenzuhalten, dass die Türkei durch das Kriegsgeschehen in Idlib unter großem Druck steht. Wie soll sie mit den Flüchtlingen an der Grenze umgehen? Etwa 900.000 Binnenflüchtlinge in Idlib werden mittlerweile gezählt, es gibt keine Unterkünfte, angeblich lassen sich Grundbesitzer mittlerweile schon Plätze unter Olivenbäumen bezahlen, es ist Winter mit frostigen Temperaturen. Die Versorgungslage in Syrien ist, durch Sanktionen verstärkt, elendig.

Die UN warnt vor einer humanitären Katastrophe größten Ausmaßes. Es ist absehbar, dass die Empörung darüber in die Forderung umschlägt, dass die Türkei ihre Grenzen aufmacht. Von dort wird berichtet, dass man über die Jahre hinweg ein Limit bei der Aufnahme von Flüchtlingen erreicht habe. 60 Prozent der Türken hätten sich bei einer Umfrage gegen die Präsenz syrischer Flüchtlinge ausgesprochen. "Wir wollen nicht einmal fünf Syrer aufnehmen", so ein Lagebericht aus der türkischen Grenzstadt Reyhanli.

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