Post aus Norwegen: 400.000 Bäume gegen die Stadtverödung

In Bodø im hohen Norden wird ein Flughafen verlagert, um Platz für Stadtentwicklung zu schaffen. Doch das kann dauern. Da helfen Pflanzen.

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Post aus Norwegen: 400.000 Bäume gegen die Stadtverödung

Neuer Flughafen in Bodø: Es soll Platz geschaffen werden – doch die Entwicklung dauert vielleicht 100 Jahre.

(Bild: Avinor)

Lesezeit: 4 Min.
Inhaltsverzeichnis

Das Pflanzen von Wäldern gilt allgemein als wichtige Maßnahme gegen den Klimawandel. Schließlich sorgen diese atmenden Organismen dafür, dass Kohlendioxid gebunden und Sauerstoff erzeugt wird.

Im norwegischen Bodø in der Provinz Nordland oberhalb des Polarkreises findet man diese Eigenschaften natürlich ebenfalls großartig, doch sollen Bäume dort auch noch anderen Zwecken dienen: Als Zwischenlösung, bevor es zum Ausbau der Stadt kommt.

Post aus Norwegen

Norwegen ist ein Paradoxon: Die größte Öl- und Gasnation Europas ist gleichzeitig Klimaschoner Nummer Eins bei Stromerzeugung und Autoverkehr. An dieser Stelle berichtet Ben Schwan über Innovationen aus dem Land der Fjorde – und seine Eigenarten.

Gut 52.000 Einwohner leben hier, wo es im Dezember die Polarnacht und im Juni und Juli die Mitternachtssonne gibt. Die Norweger sind stolz darauf, auch im hohen Norden ihres Fjordreichs einen adäquaten Lebensstandard für die Bevölkerung zu bieten – mit Einkaufsmöglichkeiten, Universitäten, Schulen und Freizeiteinrichtungen.

Damit das alles funktioniert, muss allerdings eine adäquat schnelle Anbindung in den südlicheren Teil Norwegens her. Das erledigen neben dem Lkw und dem Schiff – die Hurtigruten-Postboote kommen täglich – auch die Bahn (bis Trondheim dauert es allein 10 Stunden) und vor allem das Flugzeug.

In Norwegen wird traditionell viel geflogen – vor allem innernorwegisch. Das hat den simplen Grund, dass andere Verbindungen viel zu lange dauern würden (Auto) oder schlicht nicht bestehen (Bahn in vielen Regionen). Auch in Bodø ist der Flughafen dementsprechend wichtig. Der hatte 2018 über 1,8 Millionen Flugpassagiere – erstaunlich für eine derart kleine Stadt. Außerdem ist hier eine wichtige Basis der norwegischen Luftstreitkräfte untergebracht.

Der Bodøer Flughafen liegt innerstädtisch. Das ist zwar mobilitätstechnisch effizient, sorgt aber auch dafür, dass es in einem Bereich, der eigentlich urban bebaut sein sollte, einen enormen Flächenverbrauch gibt. Die Stadtväter haben sich daher schon vor Jahren dazu entschlossen, die Anlage umzuziehen. Vor drei Jahren sagte dann das Parlament Norwegens in Oslo – das solche Großprojekte regulär zu genehmigen hat – endlich zu.

Der Plan: Die Anlagen werden um rund einen Kilometer nach Süden verlegt. Das schafft Platz für Wohnbebauung und vergrößerte Hafenanlagen. 500 Millionen Euro soll das Vorhaben kosten und rund 800 Fußballfelder an Fläche schaffen, die im Stadtzentrum bislang nicht zur Verfügung stand.

Das Problem: Zwar werden solche Bauplätze gesucht. Doch weiß noch niemand, wann das gesamte durch den Flughafenumzug gewonnene Gebiet überhaupt verwendet werden kann. Schätzungen besagen, dass es zwischen 50 und 100 Jahren dauern könnte, bis es soweit ist. Die Bevölkerung soll sich bis dann verdoppelt haben. Allerdings müssten sich dazu viel mehr Norweger und Einwanderer entscheiden, in den hohen Norden zu ziehen. Das wiederum könnte bei der zunehmenden Zentralisierung, die das Land immer stärker prägt, schwierig werden.

Entsprechend sind die Stadtväter von Bodø zwischen Baum und Borke. Einerseits brauchen sie Flächen für die Zukunft der Stadt, andererseits muss eine Zwischennutzung für die durch den Flughafenumzug entstehende Brache her. Und genau hier kommen die Bäume vom Anfang dieses Textes ins Spiel.

Stadtentwickler und Planer haben deshalb nun eine so einfache wie clevere Idee entwickelt: Sie wollen auf den gewonnenen Flughafenbrachen, die frühestens ab 2025 zur Verfügung stehen, Bäume pflanzen – und zwar sehr viele. 400.000 Stück sind es in der jüngsten Planung. Drei Landschaftsarchitektenbüros wurden mittlerweile engagiert, bis März Pläne zu erarbeiten. Die Bäume sollen dann später Schritt für Schritt wieder beseitigt werden, sobald Platz benötigt wird. Einen weiteren Vorteil haben die Gewächse auch noch: Sie sorgen dafür, dass weniger Wind direkt ins Stadtgebiet gelangt. In Bodø pfeift es nämlich mächtig.

(bsc)