Gutachten zu 5G-Patenten: "Nicht vorhersehbare" Risiken für Automobilindustrie

Die Automobilbranche wird mit Mobilfunkpatenten unter Druck gesetzt. Ein Gutachten warnt vor Verwerfungen auf dem Lizenzmarkt.

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Gutachten zu 5G-Patenten: "Nicht vorhersehbare" Risiken für Automobilindustrie

(Bild: Dean Burton/Shutterstock.com)

Lesezeit: 8 Min.
Von
  • Christiane Schulzki-Haddouti
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Jedes Unternehmen, das standardessentielle Patente (SEP) für 5G besitzt, kann laut einem Gutachten von jedem Anwender der Technik Lizenzgebühren verlangen. Damit werde ein lukrativer Markt für 5G-Patentinhaber geschaffen, warnen die Experten der TU Berlin und der auf Urheberrechtsfragen spezialisierten IPlytics GmbH, die das Gutachten im Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums angefertigt und am Dienstag vorgestellt haben. Das stelle für jeden 5G-Nutzer ein rechtliches Risiko dar, da die Höhe der Lizenzgebühren für 5G-Patente "nicht vorhersehbar" sei.

In den vergangenen Jahrzehnten hat sich die Zahl der Patentinhaber, die von den Automobilherstellern Lizenzgebühren fordern können, erheblich erhöht. Denn mit der zunehmenden Digitalisierung der Fahrzeuge wurden immer mehr Techniken aus der Telekommunikationsindustrie verbaut. Mobilfunkstandards wie 4G/LTE oder LWAN kennen mehrere tausend Patente, die als standardessentiell gelten.

"Unternehmen, die diese Standards für 5G entwickeln, müssen sich verpflichten, ihre Patente, die in den Standard einfließen, unter fairen, angemessenen und nichtdiskriminierenden Bedingungen zu lizenzieren", erklärt Knut Blind, Leiter des Fachgebietes Innovationsökonomie der TU Berlin, das sogenannt FRAND-Prinzip. Dabei wird die Frage, ob ein Patent tatsächlich wesentlich für einen Standard ist, nicht selten erst vor Gericht geklärt.

Das betrifft die gesamte Autoindustrie. "Wir als Lieferant von Vernetzungslösungen für Fahrzeuge gehen davon aus, dass wir von den Diskussionen hinsichtlich 5G-Patente in ähnlicher Weise betroffen sein könnten, wie das bereits heute bei 3G und 4G standardessentiellen Patenten der Fall ist", sagte eine Sprecherin des Zulieferers Continental.

Die Ergebnisse des Gutachtens zeigen, dass bisher knapp 100.000 Patente für 5G in verschiedenen Ländern angemeldet wurden, die auf über 20.000 Patentfamilien zurückgehen. Die meisten 5G-Patente wurden in den letzten zwei Jahren angemeldet, deshalb ist zu erwarten, dass die Zahl der erteilten Patente in den nächsten Jahren weiter steigen wird. Die 5G-Standardentwicklung ist überdies noch nicht abgeschlossen, so dass in den kommenden Jahren weitere Patentanmeldungen erwartet werden.

Laut dem Gutachten werden aktuell 82 Prozent aller 5G-Patentdeklarationen von zehn Unternehmen gehalten. Der chinesische Telekommunikationskonzern Huawei hält mit 3325 5G-Familien das größte Portfolio, gefolgt von Samsung, LG, Nokia, ZTE und Ericsson. Huawei ist auch mit seinen Forschungs- und Entwicklungsinvestitionen in Höhe von über 15 Milliarden US-Dollar im Jahr 2018 führend. Unternehmen wie Nokia, Ericsson oder Qualcomm, die in den Vorgängergenerationen 3G und 4G führend waren, zählen beim 5G-Standard weiterhin zu den Technologieführern.

Gezählt wurden angemeldete wie bereits erteilte Patente. Die chinesischen Firmen haben sehr junge 5G-Familien deklariert, die erst kürzlich angemeldet wurden. Sie weisen auch die geringste Erteilungsquote auf. In der Regel dauert es mehrere Jahre, bevor ein Patentamt ein Patent erteilt. In dieser Zeit können andere Firmen aber nicht zur selben Erfindung ein Patent anmelden. Die höchst Erteilungsquote weisen die europäischen Unternehmen auf, die damit auch über die meisten älteren Patente verfügen.

Huawei hat fast jeden fünften Vorschlag für einen relevanten Standardbeitrag für 5G beim 3GPP-Konsortium eingereicht und hält damit nicht nur die meisten 5G-Deklarationen, sondern auch den größten Anteil von 5G-Standardbeiträgen. Sehr aktiv waren auch Ericsson, Nokia und Qualcomm. Die vier Unternehmen sind für über Zweidrittel der 5G-Beiträge verantwortlich und zählen damit zu den einflussreichsten Unternehmen bei der 5G-Standardentwicklung. Insgesamt wurden nur 10 Prozent aller Beiträge genehmigt, wobei die meisten genehmigten Beiträge von Huawei eingereicht wurden, knapp gefolgt von Ericsson und Nokia.

Das 3GPP begann erst 2015 damit erste Spezifikationen für den 5G-Standard zu entwickeln. Die laut Experteninterviews eher seltenen 5G-Erfindungen vor 2012 sind vor allem bei Nokia. Ericsson und Qualcomm entstanden. Dabei kann es sich um generationenübergreifende Technologien handeln, die für den 3G- und 4G-Standard entwickelt wurden und die dann auch in den 5G -Standard eingebracht wurden. Oftmals handelt es sich um grundlegende Funktionen, die die physikalische Ebene eines Standards betreffen.

"Huawei und Qualcomm haben sich ihre Patent-Rechte schützen lassen und werden sie auch einfordern wie die aktuellen 4G-Klagen zeigen", sagt Niels Peter Skov Andersen, General Manager des Car-2-Car Communication Consortium. Für ihn ist klar: "Sie kämpfen darum mit LTE V2X auf den Markt zu kommen, weil sie dann eine bessere Patentlage haben. Bei Nokia und Ericsson sehen wir dasselbe Motiv."