Neue Aufgabe für einen neuen, alten Impfstoff in Corona-Zeiten

Auf einen Corona-Impfstoff müssen wir – allen Bemühungen zum Trotz – noch länger warten. Aber vielleicht unterstützt viele auch schon ein Booster für das Immunsystem? Ein Tuberkulose-Impfstoff könnte helfen.

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Die Idee basiert auf einem ganz alten Impfstoff: Anfang der 1920er Jahre wurde der Tuberkulose-Impfstoff Bacille Calmette-Guérin (BCG) entwickelt. Er enthält abgeschwächte Erreger der auch auf den Menschen übertragbaren Rinder-Tuberkulose. Obwohl er so alt ist, ist BCG bislang der einzige Impfstoff gegen Tuberkulose. Er hilft jedoch nur gegen die so genannte Miliartuberkulose, eine Form, die ausschließlich Kinder befällt. Seit Jahren versuchen Forschende einen Impfstoff zu entwickeln, der auch Erwachsene vor der "ganz normalen" Tuberkulose schützt. Aber Tuberkulose ist nicht so einfach zu überlisten.

Nun ist Tuberkulose eine Bakterienerkrankung und hat nichts, aber auch gar nichts, mit Covid-19 zu tun. Was soll das hier also? Auch dafür müssen wir nochmal ein Stück zurück: Die Idee hinter einem Impfstoff ist ja, das Immunsystem zu aktivieren – es soll zwar gegen einen bestimmten Erreger scharf gemacht werden, aber die Voraussetzung ist erst einmal, dass das Immunsystem aktiviert wird.

Findige Forscher haben in den 1970er Jahren festgestellt, dass BCG Blasentumore zurückdrängen kann – weil BCG genau diese Aktivierung gegen alles, was irgendwie nicht dazu gehört, richtig gut macht. Neuere Tierversuche haben zudem gezeigt, dass der BCG-Impfstoff auch bei Virusinfektionen der Atemwege schützt, zum Beispiel bei Influenza. Und aus den Niederlanden und Großbritannien gibt es nun Hinweise darauf, dass BGC als sogenannter Bystander-Impfstoff gegen das neue Corona-Virus helfen könnte.

Nun hat BCG selbst starke Nebenwirkungen, die man nur in Kauf nimmt, wenn es sich nicht vermeiden lässt. Aber vor einigen Jahren haben Forschende des Max-Planck-Instituts für Infektionsbiologie in Berlin eine neue, genetisch aufgepeppte Version dieses alten Impfstoffes entwickelt.

Seit 2012 entwickelt das Unternehmen Vakzine Projekt Management (VPM) aus Hannover diesen Impfstoff gemeinsam mit dem dem Serum Institut of India, dem größten Impfstoffhersteller der Welt, unter dem Namen VPM1002 weiter. VPM1002 ist inzwischen in den klinischen Studien sehr weit fortgeschritten und wird derzeit in einer Phase-III-Studie an erwachsenen Probanden in Indien getestet und steht damit bei Erfolg der Studie direkt vor der Zulassung.

Nach Aussagen der VPM haben bereits Gespräche zu Phase-III-Studien in Deutschland für den Einsatz gegen Covid-19 stattgefunden – um die Wirksamkeit bei Älteren und Beschäftigten im Gesundheitswesen zu testen.

Ein Lichtblick in zweierlei Hinsicht: Einerseits könnte dieser Booster für das Immunsystem der Krise ein Stück ihrer Schärfe nehmen und die Zeit bis zu einem Impfstoff gegen das Virus überbrücken. Andererseits ist das in unseren Breiten fast unbekannte Serum Institut of India ein leiser Pharmariese und vermutlich als einziger in der Lage innerhalb kürzester Zeit Millionen von Impfdosen bereitzustellen.

(jsc)