Am VW ID.3 kulminieren gerade die Probleme von Volkswagen

Der VW ID.3 soll Volkswagen vor Strafzahlungen retten und gleichzeitig die Wertschöpfung gründlich vertiefen. Beides könnte jetzt an Programmcode scheitern.

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Am VW ID.3 kulminieren momentan die Probleme von Volkswagen

Volkswagen-Chef Herbert Diess präsentiert den VW ID.3 auf der IAA 2019.

(Bild: Volkswagen)

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Florian Pillau
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Die Vorstände von Daimler und Volkswagen haben offenbar darüber beraten, ob sie gemeinsam ein Betriebssystem, Vernetzungs- und autonome Fahrfunktionen für ihre Elektroautos coden lassen sollten. Das berichtet die Süddeutsche Zeitung am heutigen Donnerstag. Herausgekommen sei das Ganze durch eine Indiskretion, denn eigentlich sollte das Treffen geheim bleiben.

BMW sei „not amused”, denn dort hat Volkswagen bereits in gleicher Sache vorgesprochen. Allen drei Autoherstellern dürfte eine Kooperation wohl nicht erlaubt werden – schon angesichts ihrer marktbeherrschenden Position. Von den deutlich unterschiedlichen Ausrichtungen bei BMW, Daimler, Volkswagen und personellen Empfindlichkeiten erst gar nicht zu reden. Eine Zusammenarbeit von zwei Partnern jedoch würde den dritten stark benachteiligen, befürchtet man.

Hintergrund ist der von Volkswagen schon häufiger dementierte Verzug bei der Software für das Elektroauto ID.3. Das Zitat eines Volkswagen-Mitarbeiters in der SZ ist deutlich: „Das Auto ist weit entfernt von der Marktreife.” Um Funktionen anbieten zu können, die bei Tesla-Modellen bereits Serienstandard sind, wäre Stand heute noch eine Menge Arbeit nötig, will man die Software nicht einkaufen und sich von den großen amerikanischen Softwareherstellern abhängig machen. Das betrifft nicht so sehr die Kosten für gelieferte Programme, sondern viel mehr noch die Wertschöpfung durch den Zugriff auf die Nutzerdaten der eigenen Autos.

Das andere Problem sind drohende Strafzahlungen für einen zu hohen CO2-Ausstoß. Um ihnen zu entgehen, plant der Konzern, den voraussichtlich ab Sommer 2020 erhältlichen ID.3 bis Ende 2020 mehr als 100.000 mal zu verkaufen. Eine gewagte Strategie, die nur funktioniert, wenn die Kunden wie erwartet mitziehen. Im Unternehmen könnte man Volkswagen-Chef Diess schnell seine Unterstützung entziehen, wenn der Plan nicht aufgehen sollte.

Scheitern könnte es nun an der Ausstattung der ID.3 mit Zusatzfunktionen. Die grundlegenden Fähigkeiten wie Fahren, Lenken und Bremsen setzt der Kunde ja voraus. Gerade E-Auto-Fahrer gelten als Early Adopter aber besonders sensibel für teilautonome Funktionen, Vernetzung und elektronische Komfortausstattungen. Durch den Entwicklungsrückstand könnte sich Volkswagen nun aber gezwungen sehen, „die eine oder andere geplante Funktion” des bereits in voller Produktion befindlichen VW ID.3 erst später nachzuliefern. Die SZ zitiert VW-Angestellte mit der Einlassung: „Es ist ein absolutes Desaster. Wir kriegen einfach die Leute nicht.” Programmierer sind rar und gehen nicht mehr unbedingt bevorzugt in die Autoindustrie. Den eigenen Ruf hat Volkswagen ja bereits vor fünf Jahren mit dem Abgasbetrug gründlich beschädigt.

Das hat zwar den Absatzzahlen global offenkundig nicht geschadet, damit man aber nicht ein weiteres Mal als Umweltsünder dasteht, versucht Volkswagen laut dem Zeitungsbericht die CO₂-Flottenziele auch auf anderen Wegen abzusichern. So könnte der Porsche Taycan (Test) vorwiegend in der EU zugelassen werden, um die Bilanz zu verbessern. Die Autos würden dann aber für den Export aus der EU, etwa in die USA, fehlen. Doch selbst wenn das klappen würde, wäre es angesichts der geplanten Volumina beim ID.3 allenfalls eine kleine kosmetische Korrektur am Ergebnis.

Momentan scheint bei Volkswagen alles auf dieses eine Modell, den VW ID.3, zuzulaufen. Die Süddeutsche Zeitung formuliert es auf ihre eigene Art etwas zugespitzt: Sollte der Plan scheitern, bestünde die Gefahr, dass die deutsche Automobilindustrie bald nur noch als „blechbiegende Zulieferer” für die wahren Wertschöpfer wahrgenommen werden könnte.

(fpi)