Internet Archive öffnet umstrittene Open Library: Autorenverband "schockiert"

Die Open Library ist Autorenverbänden ein Dorn im Auge. Nun hat das Internet Archive eine wichtige Einschränkung aufgehoben – angeblich wegen der Pandemie.

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Internet Archive öffnet umstrittene Open Library: Autorenverband "schockiert"

Angebot für eingesperrte Studenten?

(Bild: "National Emergency Library")

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Das Internet Archive hat eine umstrittene Online-Bibliothek für die Zeit des Coronavirus-Notstands in den USA weiter geöffnet und damit Autoren noch mehr gegen sich aufgebracht. Die Authors Guild aus den USA zeigt sich "entsetzt" darüber, dass die Betreiber des Internetportals Millionen urheberrechtlich geschützter Werke ohne jegliche Einschränkungen verfügbar machen.

Die Autorenvereinigung ist schockiert, dass das Internet Archive die Epidemie als Vorwand benutze, um das Urheberrecht weiter auszureizen und dabei Autoren schade, von denen viele aktuell sowieso ums Überleben kämpfen müssten. Das Onlinearchiv habe überhaupt keine Rechte an den Werken, kritisieren sie.

Hintergrund der harschen Kritik ist eine Ankündigung des Internet Archives. Darin heißt es, dass die umstrittene Open Library mit ihren rund 1,5 Millionen Werken geöffnet würde, "um die vertriebenen Lerner dieser Nation" zu unterstützen. Die Titel können während dieses Zeitraums nicht mehr nur von jeweils einer Person ausgeliehen werden, sondern unbegrenzt. Damit geht das Internetportal deutlich über die bereits heftig angegriffene bisherige Praxis hinaus, die auf einer Rechtsinterpretation namens "Controlled Digital Lending" (CDL) beruhte. Aus eingescannten Büchern erstellte E-Books können demnach genau einmal verliehen werden, die Zustimmung der Rechteinhaber sei dafür nicht nötig und auch keine Bezahlung.

Das Internet Archive begründet den Schritt mit den Studenten, die auf diesem Weg an ihr Lesematerial kommen und gleichzeitig sicher zu Hause bleiben sollen. Zwar gebe es auch online Zugang zu Bestsellern und populären Titeln, gestehen die Macher ein, aber die Leser hätten keinen Zugang zu Werken, die nur gedruckt existieren. Hier könne ihre "Kollektion" helfen, denn dabei handle es sich um eingescannte Werke, "von denen viele auf anderem Weg nicht verfügbar sind". Man wisse, dass viele Autoren und Verlage von der Pandemie "auch betroffen sind", heißt es weiter. Deswegen ermutige man alle Leser, Bücher zu kaufen und lokale Buchhändler zu unterstützen.

Die Author's Guild haben sie damit jedenfalls nicht überzeugt. Die Vereinigung wirft dem Internet Archive vor, eine globale Krise auszunutzen, um eine "Urheberrechtsideologie" voranzutreiben, die bestehende Gesetze verletzt und Autoren schadet. Entgegen der Aussagen handle es sich bei einem großen Teil der Werke um relativ aktuelle Werke. Das Portal trete die Rechte von Autoren mit Füßen, indem es ihre Werke an die Welt verteilt. Außerdem gebe es die behauptete Knappheit an Texten für Studenten überhaupt nicht. Viele Universitäten hätten überhaupt keine Buchläden mehr, Studenten würden längst online versorgt. Während die Industrie wegen der Ladenschließungen bereits große Schäden erleide, schade die Open Library noch weiter.

Abgesehen davon erneuert die Vereinigung auch ihre grundlegende Kritik an dem Portal des Internet Archives. Zwar verkaufe die das Projekt Open Library als Bibliothek, aber die bezahlten für Lizenzen. In Wirklichkeit handle es sich um nicht mehr als eine Website, deren Betreiber "Millionen Bücher" nach China sendeten, wo sie eingescannt werden. Die würden dann als E-Books an jeden ausgeliehen, womit klar das Urheberrecht verletzt würde. Tatsächlich finden sich mehr als 700.000 Werke der 1,4 Millionen in der "National Emergency Library" in der Kollektion "Scanned in China", darunter beispielsweise auch verschiedene Ausgaben von Harry Potter, allein sechs Mal "The Da Vinci Code" von Dan Brown und Dutzende Titel von Stephen King. (mho)