Kleine Rechenaufgaben mit hehrem Ziel

Die Methode des verteilten Rechnens wird eingesetzt, um ein Mittel gegen das Coronavirus zu finden. Ein Telekommunikationsunternehmen mischt mit.

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"Lass uns Covid-19 gemeinsam im Schlaf bekämpfen" so lautet die Werbe-Botschaft zur App DreamLab. Etwas "Durch-die-Brust-Ins-Auge"-mäßig formuliert, verfolgt die Anwendung aber einen interessanten Ansatz. Die App gibt es bereits seit 2015, ursprünglich entwickelt vom Garvan Institute of Medical Research in Sydney und der Vodafone Foundation, soll sie die Krebsforschung unterstützen. Doch angesichts der Coronavirus-Pandemie hat die Stiftung zusammen mit dem Imperial College London (ICL) die App auf die Suche nach einem wirksamen Medikament gegen Covid-19 ausgerichtet.

Dazu wird die Rechenpower von Smartphones genutzt. Während das Handy nachts am Netz hängt, schickt die App – die Zustimmung der Nutzer vorausgesetzt – kleine Rechenaufgaben an das ungenutzte Gerät. Sie werden dort gelöst und die Ergebnisse an die Forscher übertragen, womit sie Berechnungen des KI-Algorithmus des ICL unterstützen. Die Übertragung erfolgt per heimischem WLAN oder Mobilfunk, wobei für Vodafone-Kunden im Falle der Mobilfunk-Übertragung diese nicht vom monatlichen Datenvolumen abgezogen werden soll.

Die Aufgabe des intelligenten Algorithmus ist es, eine Unmenge an Daten auszuwerten, um herauszufinden, welche Moleküle oder welche Molekülverbindungen das Covid-19-Virus am besten bekämpfen können. Um den Prozess der Berechnungen zu beschleunigen, greift das ICL daher auf die ladenden Smartphones zurück. Seit kurzem ist die App auch in Deutschland und damit in nunmehr elf Ländern verfügbar. Weitere sollen folgen – und damit viel ungenutztes Rechenpotenzial gehoben werden.

"100.000 Smartphones könnten in nur drei Monaten bei einer nächtlichen Laufzeit von sechs Stunden die Jahresleistung aller Forschungsrechner des Imperial Colleges erzielen" heißt es in einer Mitteilung von Vodafone. Diese Angabe sei einmal dahingestellt. Aber Fakt ist: Bei der Analyse von großen Datenmengen auf ein Netz an dezentralen Computern zurückzugreifen, ist an sich nichts neues. Dafür gibt es seit 2002 BOINC – eine Infrastruktur für verteiltes Rechnen. Als eines der bekanntesten Projekte griff SETI@home darauf zurück. Mit der vor kurzem erfolgten Einstellung der verteilten Datenanalyse zur Suche nach außerirdischem Leben liegt nun potentielle Rechenpower brach. Dort setzt auch Rosetta@home an. Der Vorteil der Software: der zugrunde liegende BOINC-Quellcode ist offen einsehbar. Daher können kundige Nutzer nachvollziehen, ob persönliche Daten übertragen werden.

Solche Offenheit in Bezug auf den Quellcode könnte man sich auch von der DreamLab-App wünschen. Es geht um private Smartphones geht, dort sollte Skepsis angebracht sein. Damit will ich keinesfalls das hehre Ziel der App kritisieren. Dass schnell ein Mittel beziehungsweise Impfstoff gegen das Coronavirus gefunden werden muss, steht außer Frage – und wenn jeder Smartphone-Besitzer die Forschung daran unterstützen kann: umso besser. Die Frage ist nur, ob mit Vodafone unbedingt ein Unternehmen im Hintergrund stehen sollte. Ist der Schutz meiner personenbezogenen Daten ansonsten sichergestellt, spräche nichts dagegen.

(jle)