Zahlen, bitte! Die TU-144 – das erste zivile Überschallflugzeug der Welt

Zwar ist die Concorde das bekanntere zivile Überschallflugzeug, den ersten Flug sowie Überschallflug absolvierte aber die sowjetische TU-144.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 113 Kommentare lesen
Zahlen, bitte! Die TU-144 - das erste zivile Überschallflugzeug der Welt
Lesezeit: 6 Min.
Inhaltsverzeichnis

Die TU-144 des sowjetischen Konstruktionsbüros Tupolew hob nicht nur noch vor der zum Verwechseln ähnlichen Concorde zum Jungfernflug ab; mit der am 25. Mai 1970 erreichten doppelten Schallgeschwindigkeit von 2150 km/h war sie auch das erste zivile Überschallflugzeug. Dennoch war ihr kein großer kommerzieller Erfolg beschienen. Das hatte verschiedene Gründe.

Zahlen, bitte!

In dieser Rubrik stellen wir immer dienstags verblüffende, beeindruckende, informative und witzige Zahlen aus den Bereichen IT, Wissenschaft, Kunst, Wirtschaft, Politik und natürlich der Mathematik vor.

Wie die Concorde war auch die TU-144 ein Kind Ihrer Zeit. In den 1960ern schien der Glaube an den Fortschritt noch grenzenlos. Die USA strebte im Wettlauf mit der Sowjetunion nach der Landung auf dem Mond. Und in Europa wollte ein britisch-französisches Konsortium mit dem Projekt Concorde als erste ein ziviles Überschallflugzeug entwickeln.

Der TU-144 Prototyp 1971 auf dem Flughafen Berlin Schönefeld.

(Bild: GNU 1.2 Ralf Roletschek )

Pläne für ein Überschall-Passagierflugzeug hatten damals auch die großen amerikanischen Flugzeughersteller – wenn sie auch aufgrund ausufernder Kosten nie realisiert wurden. Umso größer war die Verblüffung, als 1965 im Salon de l’Aéronautique (der Pariser Luftfahrtschau) die Sowjetunion ein Modell eines eigenen Überschallflugzeugs präsentierte.

Überraschend war nicht nur, dass die Sowjets ihren Hut in den Ring um den Kampf des ersten zivilen Überschallflugzeugs warfen, sondern auch, wie sich das Konzept der TU-144 und der Concorde ähnelten. Die Entwürfe waren für etwa die gleiche Anzahl an Passagieren ausgelegt; für den Laien unterschieden sich die Flieger optisch nur in Nuancen. Daher wurden schnell Spionagevorwürfe laut, die bis hin zum Spottnamen "Konkordski" in der westlichen Presse reichten.

Zahlen, bitte! Die TU-144 und die Concorde im Vergleich. (15 Bilder)

Zahlen, bitte! Die TU-144 und die Concorde im Vergleich

Auf der internationalen Luftfahrtausstellung 1972 trafen erstmals die Kontrahenten um den zivilen Überschallflug in Hannover-Langenhagen aufeinander. Die Concorde...
(Bild: Peter Will)

Die TU-144 verfügte wie die Concorde über langgestreckte Deltaflügel. Dabei hatte der Prototyp der TU-144 noch ähnlich wie die Concorde eine ogivenförmige Flügelform, die Vorteile im Langsamflug, wie beispielsweise während der Landung bot. Die spätere größere Serienversion verfügte über eine eher konventionelle Cropped-Doppeldeltaform. Die Konstrukteure der TU-144 behalfen sich ab der Serienausführung mit ausklappbare Canards (Entenflügeln) in Cockpitnähe. Das garantierte eine ähnliche Manövrierbarkeit wie bei der Concorde im Langsamflug.

Sowohl bei Concorde wie auch bei der TU-144 ließ sich die aerodynamisch optimierte Flugzeugspitze als Sichthilfe für die Landung nach unten klappen. Beide hatten zudem vier hinten gruppierte Strahltriebwerke, allerdings mit einem großen Unterschied: Während die Concorde mit ihren Olympus 593 MK. 610 hochmoderne, digital regelbare Triebwerke erhielt, musste die TU-144 zunächst mit Zweistromstrahltriebwerken des Typs Kusnezow NK-144 vorlieb nehmen. Die Sowjets bemühten sich zwar im Westen um Steuerungscomputer, allerdings ohne Erfolg. Keine westliche Nation wollte den Warschauer-Pakt-Staaten eine moderne Steuerung überlassen, die möglicherweise auch Eingang in Bombern gefunden hätte.

Das führte dazu, dass die TU-144 für den dauerhaften Überschallflug permanent den Nachbrenner zuschalten musste, was die Reichweite drastisch verkürzte. Außerdem waren die Triebwerke dermaßen laut, dass sich die Passagiere im Flugzeug kaum unterhalten konnten. Die Concorde war hingegen von Anfang an Supercruise-fähig, also in der Lage, ohne Nachbrenner im Überschallbereich zu fliegen.