Wirtschaftsweiser: "Kein Freibier für alle"

Bild: Gerhard Gellinger/Pixabay License

Markige Ansage des Chefs der "Wirtschaftsweisen" suggeriert einen Stopp von ungebührlichen Forderungen. Ist das in Zeiten von Verzicht und unverschuldeten Pleiten nur ungeschickt formuliert, arrogant oder schlichtweg ignorant? Ein Kommentar

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Und der Chef der Wirtschaftsweisen sprach: "Es darf kein Freibier für alle geben."

Das "Machtwort" (Focus) zog heute die durch die Nachrichten, jede Viertelstunde in den Infokanälen des Hörfunks wie auch im Titel der bürgerlichen FAZ, im ZDF, in Springers Welt und sogar beim Greenpeace Magazin.

Was ist das für ein Signal? Wer will überhaupt Freibier, wer fordert das denn? Auf wen ist "nicht alle" gemünzt? Ist es der nächste Appell an die Bevölkerung, sich in Zeiten von Corona am Riemen zu reißen - zur Freibier-Feier sind nur ein paar wenige eingeladen?

In den drei Minuten-Hörfunk-Nachrichten gelangt die sekundenlange Aussage des Wirtschaftsweisen Lars P. Feld erstmal in einen Gehörgang, der voll ist vom Sound des Verzichts und der Corona-Pädagogik, man versteht die Aussage nicht. Sie suggeriert einen Stopp von "ungebührlichen" Ansprüchen. So wie das Freibier für alle schon mal zur Sprache kam, als es 2002 um die Abschaffung von Studiengebühren ging.

Gerade erst klagte aber ein befreundeter Wirt, dass er seine Bar, wo er gerne ein Freibier ausgeben würde, kaum mehr halten könne, und im Bayerischen Rundfunk bekräftigt im Zündfunk mindestens einmal wöchentlich eine Künstlerin oder ein Freischaffender aus dem Kultur-Bereich, dass kein Geld der versprochenen Hilfe angekommen ist.

Nicht einmal ein Antrag dazu war bis vor kurzem zu finden, trotz der Versprechungen des Ministerpräsidenten Söder. Um Freibier geht es da nicht. Und das Problem mit der Soforthilfe beschränkt sich weder auf ein "Milieu" noch auf Bayern (Der Preis der Billigkeit).

Um Freibier-Forderungen von Hartz-IV-Empfänger kann es auch nicht gehen. Denn da hatten Bundestag und Bundesrat kürzlich schon die Schleusen dichtgemacht. Der Antrag von drei Bundesländern auf einen "befristeten Corona-Zuschuss" wurde abgelehnt, obwohl jeder, der einen desinfizierten Einkaufswagen in die Hand nimmt, damit rechnen muss, dass er an der Supermarktkasse einen neuen Corona-Rekordpreis bezahlt. Freibier gibt's nicht.

Und auch keine Gewährleistung eines Mehrbedarfs.

Es müssen Prioritäten gesetzt werden, fordert der Vorsitzende der Wirtschaftsweisen, Lars P. Feld. Der Staat dürfe finanziell nicht überfordert werden.

Ist die Floskel "kein Freibier für alle" nicht so arrogant gemeint, wie sie wirkt, sondern nur ungeschickt?

Konkret spricht Feld den Familienbonus an, der von der SPD wie von der Union in die Debatte gebracht wurde. Er hält wenig von dessen Effekt:

Ein Familienbonus oder auch Konsumgutscheine würden verpuffen. Die Leute würden sparen und nicht zusätzlich kaufen. Deswegen sind solche Maßnahmen derzeit rausgeschmissenes Geld.

Lars P. Feld

Rausgeschmissenes Geld? Man könnte die Einmalzahlung an die Familien auch anders bewerten: Zum Beispiel als Honorierung eines wochenlangen Mehreinsatzes, der durch staatliche Notmaßnahmen verursacht wurde. Die Frage dazu wäre, wie der Bonus vergeben wird - wirklich an alle? Das komplizierte Nachfrageproblem, vor dem die Wirtschaft steht, wird dadurch freilich nicht gelöst. Aber welche Zeichen der Zuversicht sendet der Wirtschaftsweise?

Er will Effektivität. Dazu will er einerseits bremsen: "Aber in der jetzigen Lage haben sich so viele Interessengruppen mit Forderungen geäußert, dass man bremsen muss." Anderseits ist er gegen eine Schuldenobergrenze. Damit betritt er eine Grauzone ( Wir werden auch die Corona-Schulden nicht zurückzahlen!): Freibier für Unternehmen?

Hier wird es schwierig. Trickle-Down hat bislang nicht funktioniert. Und es gibt auf der Ebene pauschaler Einsichten und Belehrungen, wo der Freibier-Spruch wohnt, eine verbreitete Rede, wonach "die Reichen" nach jeder Krise noch immer reicher geworden sind.