Das letzte Bollwerk

Die GEMA sperrt sich nach wie vor gegen jede Veränderung beim Urheberrecht. Das Projekt "GEMA hacken" will dem Rechteverwertungsmonopolisten die Augen für die Gegenwart öffnen.

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Von
  • Niels Boeing

Zehn Jahre nach dem Napster-War und sechs Jahre nach seiner Einführung im großen Stil (Fairplay) ist das Digital Rights Management für Musik tot. Der Streit um ein zeitgemäßes Urheberrecht und seine Verwertung ist es jedoch noch lange nicht. Schließlich ist da noch ein großes Bollwerk: die GEMA, die für Musikschaffende Tantiemen für die öffentliche Verwertung ihrer Werke einsammelt.

Verwertungsgesellschaften wie die GEMA sind wie das heutige Patentsystem ein Produkt aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, als sich die Musikproduktion zu industrialisieren begann. In dieser Phase des Kapitalismus war der bedingungslose Schutz geistigen Eigentums modern. Heute, im Zeitalter seiner totalen digitalen Reproduzierbarkeit ist er es nicht mehr. Zeitgemäßer ist für mich das Creative-Commons-Konzept von Lizenzen mit gestaffelten Nutzungsrechten, die das Neukombinieren und Abwandeln von Musik (und anderen kulturellen Erzeugnissen) ermöglichen. Denn das ist, wie Lawrence Lessig überzeugend argumentiert, der Nährboden für kulturellen Fortschritt. Immer gewesen.

Der Berliner Musiker und Netzaktivist Danny Bruder startet derzeit einen zweiten Versuch, der GEMA die Augen für die Gegenwart zu öffnen. Auf PledgeBank Germany kann man sein Vorhaben "GEMA hacken" unterstützen, eine Pressekonferenz mit GEMA-Vertretern zu organisieren, auf der deren Problem mit Creative-Commons-Lizenzen öffentlich diskutiert werden soll.

Bereits 2006 hatte Bruder (der u.a. mit Kronstädta den Ton-Steine-Scherben-Klassiker "Rauch-Haus-Song" aufgefrischt hat) mit der GEMA gerungen. Seit etlichen Jahren GEMA-Mitglied, wollte einen Teil seiner Musik unter eine Creative-Commons-Lizenz stellen. Bei der GEMA beschied man ihm nach einer kafkaesken Telefon-Odyssee jedoch: "ganz oder gar nicht." Sollte er sein Vorhaben wahrmachen, müsse er aus der GEMA austreten (was er auch tat). Hinter vorgehaltener Hand sagte man ihm auch, dass sich daran noch auf Jahre nichts ändern werde.

Die GEMA erläuterte ihre Position anlässlich der damaligen Konferenz Wizards of OS in einem Rundbrief:

“Aus Sicht der GEMA ist es wichtig, Autoren darauf hinzuweisen, dass das Creative Commons-System
keine Alternative zum gewachsenen und bewährten System der Rechtewahrnehmung durch die
Verwertungsgesellschaften darstellt."

Man fragt sich, woher die GEMA das so genau weiß. Praktisch nähert sich das Urheberrecht bei DRM-freien Stücken in Online-Musikshops mindestens der Creative-Commons-Lizenz BY-NC-ND an. Denn natürlich schicke ich manchen Freunden jetzt dort gekaufte Songs als Empfehlung, die daraufhin manchmal das ganze Album kaufen. Ich verwerte sie nur nicht kommerziell weiter.

Weiter schrieb die GEMA: "Das einzelne Herauslösen von Werken aus dem Gesamtschaffen (cherry picking) ist einem GEMA-Mitglied nicht gestattet, denn dies gefährdet die in der kollektiven Rechtewahrnehmung begründete Interessenvertretung der Verwertungsgesellschaften."

Das klingt danach, als überfordere es den Verwaltungsapparat, GEMA-Songs und Nicht-GEMA-Songs auseinander zu halten (offenbar werden für anzumeldende Musikfolgen wirklich noch physische Formulare ausgefüllt). Drei Jahre später sind die Online-Radios populärer denn je, und es sollte ja eigentlich nicht unmöglich sein, einzelne Stücke in einem Datenstrom mit einem GEMA-Flag zu versehen, der ausgelesen und nach Berlin geschickt wird.

Vor allem gefährdet das Creative-Commons-System das GEMA-Monopol der Interessenvertretung. Würde die GEMA brillant und transparent arbeiten, hätte sie es vielleicht leichter mit ihrer Position. Doch unter vielen Musikschaffenden regt sich Unmut über die Gesellschaft, weil sie just diese Interessenvertretung nur unbefriedigend ausgeführt sehen.

In dem Rundbrief von 2006 gab es auch noch einen guten Rat für Musiker: "Insbesondere hat der Schöpfer geistiger Werke in diesem System keine Aussicht, von seiner Kreativität leben zu können, da er keine Vergütung für die Nutzung seiner Werke erhält.” Das ist schon blanker Paternalismus.

Es ist wichtig, immer wieder zu betonen, dass der Musikschaffende nicht sein Urheberrecht verliert, wenn er ein Werk unter eine CC-Lizenz stellt. Er vergibt nur andere Nutzungsrechte, für die er gute Gründe haben kann. Wenn selbst die Musikindustrie einsieht, dass die Durchsetzung des Urheberrechts in seiner klassischen Form nicht mehr funktioniert und neue Vertriebskonzepte ausprobiert werden müssen, wenn also für jeden ersichtlich nicht alles beim Alten bleiben kann, warum will gerade die GEMA alles beim Alten belassen?

Danny Bruders Vorhaben, die GEMA zur Diskussion an einen Tisch zu bekommen, mag zwar erst mal ein wenig aussichtslos erscheinen. Aber einen Versuch ist es wert. Die jüngste Petition an den Bundestag, die GEMA-Satzung gründlich zu überprüfen, wurde 100.000 Mal gezeichnet. Das Projekt "GEMA hacken" hat dieselbe Unterstützung verdient. (wst)