LED-Lichter auf dem Vormarsch

Japans Elektronikkonzerne versuchen, LED-Leuchten in den Markt zu drücken. Die Regale in den Kaufhäusern sind inzwischen gut mit den Lampen gefüllt. Sie haben das Zeug zum Massenschlager.

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Von
  • Martin Kölling

Nach wochenlangem Kampf bin ich der Versuchung erlegen. Ich habe meine Energiesparlampe am Schreibtisch durch eine noch sparsamere LED-Lampe ersetzt. Bei 7,5 Watt Leistung sollen die LEDs so hell leuchten wie eine 60 Watt-Glühlampe, verspricht die Werbung. Und ich bin etwas überrascht: Das tut sie auch, zum allerdings etwas happigen Preis von rund 4000 Yen (30 Euro). Dafür strahlt das Gerät wirklich nicht mehr punktmäßig wie die ersten LED-Lampen hier in Japan, sondern dank eines stark streuenden Glases so gleichmäßig wie eine Glühbirne. Ein Blick ins Kaufhaus zeigt, dass dies erst der Anfang ist. Die Regale im Techno-Markt Bic Camera quellen inzwischen über mit LED-Lampen. Der aktuelle Held ist eine Neuheit von Sharp, die die oft gegen LED-Licht vorgebrachte Vorstellung widerlegt, dass deren Licht zu kalt sei: eine per Fernbedienung in Helligkeit wie auch Farbton dimmbare LED-Birne. Von kalt zu warm, eine Lampe für alle sozusagen. Kosten: Nochmal doppelt so teure 8000 Yen.

Nun, die Preise sind noch stolz. Dafür versprechen die Konzerne, dass ich durch einen LED-Lampenkauf das chronisch schlechte ökologische Gewissen beruhigen kann. Ein Zehntel der Energie einer normalen Lampe sollen die LED-Äquivalente nur verbrauchen und dazu mindestens zehn Jahre halten, wenn ich sie zehn Stunden pro Tag brennen lasse. Standard-Glühbirnen brennen oft schon nach 1000 Stunden oder so durch. Allerdings wird dafür spürbar mehr Material in den neumodischen Lampen verbaut. Mit 158 Gramm bei 114 Millimeter Gesamtlänge ist meine Birne beileibe kein Leichtgewicht. Mein Smartphone wiegt deutlich weniger.

Und das ist noch nicht alles, erzählt mir eine Sharp-Managerin, die ich zu dem Thema kontaktiert habe. Die Lampe strahlt kein UV-Licht ab. Daher lockt sie keine Moskitos an und schädigt sehr zur Freude von Modeboutiquen Kleidung nicht mehr. Außerdem ist das Licht im Wortsinn kalt. Denn die LEDs sind inzwischen so effizient bei der Umwandlung von Strom in Strahlung, dass sie nicht mehr heiß werden, betont die Managerin. Sharp hat sogar eine "Koko-Lamupu", ein Kükenlämpchen im Angebot, das – der Name sagt es – in Hühnerställen zum Beleuchten der lieben Kleinen eingesetzt wird. Ohne die Hitzestrahlung verenden offenbar weniger Federbüschel. Und ich dachte, Küken mögen's molligwarm.

Mit einem Anfasstest überprüfe ich die Behauptungen. Zuerst der Glasteil der Birne: Der liegt einen Tick über der Hauttemperatur. Nun der Metallsock... autsch. Metallsockel wollte ich sagen. Die Transformation von 110 Volt im Netz auf LED-taugliche Werte produziert dann doch noch etwas Abwärme. Allerdings löst die Berührung eine ungleich geringere Schmerzempfindung aus als die zum Vergleich durchgeführte Berührung der 60-Watt-Glühbirne im Flur. (Ja, was tut man nicht alles für realitätsnahen Journalismus.)

Angesichts meiner Erfahrung rätsele ich, was viele Menschen in Deutschland derzeit dazu antreibt, sich auf die nächsten Jahrzehnte mit Technik von gestern einzudecken. Mit noch größerem Erstaunen lese in "Spiegel Online" über das Leidklagen der Lichtdesigner, die sogar den Untergang des Abendlands heraufbeschwören. "Da ist ein europäisches Kulturgut bedroht", zitiert die Seite einen Herrn Michael Gärtner, den Vorstandsvorsitzenden des Zentralverbands Europäischer Designkultur (ZVEDK). Zu kalt und flau sei das Licht von Energiesparlampen, strahle nicht in alle Richtungen. Mit dieser Einstellung würden wir heute noch unsere Wohnungen mit Kerzen beleuchten.

Nun, ich bin mir sicher, dass dem Manne durch künftige Fortschritte bei der LED-Lampenentwicklung geholfen werden kann. Und wenn's nicht mit der LED klappt, dann vielleicht in ein paar Jahren mit OLED-Lampen. Die können flächig strahlen und eröffnen damit Lampendesigner Möglichkeiten, nach denen sich ihre auf Glühbirnen angewiesenen Vorfahren die Finger geleckt hätten. Aber warum sollte es nicht eine OLED-Lampe in Birnenform geben. Wir haben ja jetzt auch Glühbirnen, die wie Kerzen flackern. (wst)