Covid-19 als Türöffner für neue Überwachungstechniken

Bild: USAF

Die Forschungsbehörde der US-Geheimdienste will schnell Techniken, um Infizierte aus der Ferne zu identifizieren und Kontaktrückverfolgung auch ohne Handys zu ermöglichen

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Wie auch immer begründet, so beflügelt die Corona-Pandemie die Phantasie, neue Überwachungs- und Kontrolltechniken zu entwickeln. Das hat etwa Michel Foucault in "Überwachen und Strafen" beschrieben und darin auch gezeigt, dass die mit der Pest aufkommenden Überwachungs-, Kontroll- und Disziplinierungstechniken mit dem "Traum von einer disziplierten Gesellschaft" den Ausbau der staatlichen Macht und den Aufbau neuer Institutionen (Hospital, Gefängnis, Armenhaus, Polizei etc.) über das konkrete Infektionsgeschehen ermöglichten. Nach dem Einschluss der Gefährder letztlich in ein Panopticon geht es jetzt darum, mittels präventiver Überwachung die ganze Gesellschaft als Panopticon zu realisieren und zu disziplinieren.

Geheimdienste sind immer dann zur Stelle, wenn es während Krisen Möglichkeiten gibt, neue Befugnisse und Techniken der Überwachung zu etablieren, die dann auch ganz anderen Zwecken als den ursprünglich intendierten dienen können. Jetzt ist Forschungsbehörde der zahlreichen US-Geheimdienste, die Advanced Research Projects Agency (IARPA), auf die Idee gekommen, Covid-19 zu benutzen, um neue Techniken zu deren Verfolgung und Vorhersage zu entwickeln.

Und weil mit Covid-19 räumlicher Abstand und soziale Distanzierung sowie die Schaffung von möglichst kontaktlosen Schnittstellen einhergeht, will man nun gerne Techniken haben, um an Covid-19-Erkrankte, gleich ob sie Symptome zeigen oder nicht, aus der Ferne identifizieren zu können. Das war auch schon der Wunsch nach 9/11, als man versuchte, Techniken zu entwickeln, um aus der Ferne böse Absichten zu erkennen. Und man wünscht sich Möglichkeiten der Kontaktrückverfolgung, die ohne Handys auskommen. Das wäre nicht nur praktisch zur Bekämpfung von Epidemien, sondern auch von Kriminellen, Terroristen oder politischen Gegnern. Es geht darum, die Kontaktrückverfolgung auch bei jenen zu ermöglichen, die versuchen, sich der Überwachung zu entziehen.

IARPA startete am 21. Mai die Ausschreibung "COVID-19 Seedling Research Topics", um mit diesem "hochriskantem" Forschungsprogramm einen "überwältigenden geheimdienstlichen Vorteil" zu erzielen, etwa bei der Entdeckung, der georaumzeitlichen Überwachung und Aufzeichnung ("mit Datenschutz"), der Verlässlichkeit der Information oder der Modellierung, Simulation und prädiktiven Analytik. Irgendwie soll dabei auch der Datenschutz gewahrt werden. Ausdrücklich heißt es, dass Forschung bevorzugt wird, die nicht nur schnell gegen die Covid-19-Pandemie hilft, "sondern die Warnung und die Reaktionsfähigkeit für künftige ähnliche Ereignisse verbessert". Erwartet werden im Trump-Land selbstverständliche "revolutionäre" Lösungen. Forschung, die nur "evolutionäre Verbesserungen" anbieten, werden gleich einmal ausgesondert.

Was will man? Schnelldiagnosen für Vireninfektionen bei symptomatischen und asymptomatischen Menschen. Bevorzugt werden "kontaktlose" Ansätze, beispielsweise über die "Atmung", "die an Eingängen zu öffentlichen Verkehrsmitteln, Flughäfen und Geschäften eingesetzt werden können". Und dann sind noch Mittel erwünscht, wie man RNA/DNA etwa im Abwasser oder anderweitig in der Umwelt entdecken kann, um sich anbahnende Virenepidemien festzustellen und deren Ausmaß und geografischen Reichweite abzuschätzen. In beiden Fällen geht es um anlasslose Massenüberwachung.

Auch sind neuartige Ansätze für die Kontaktrückverfolgung bei Menschen erwünscht, die über keine Handys und/oder keine Internetverbindung verfügen. Man denkt an Methoden, die den Datenschutz wahren und die "die modernen Kommunikations- und Internet-of-Things-Techniken" nutzen. Das Wort Datenschutz darf man als Rhetorik verbuchen.

Zur Entdeckung von Ereignissen sollen natürlich wieder Informationsströme aller Art multilingual und multimodal erfasst und ausgewertet werden können. Man hätte auch gerne Vorhersagemittel, die aufgrund vieler Daten möglichst alles über auch nur die Möglichkeit von künftigen Epidemien und deren Folgen vorhersagen können. Die Modelle sollen auch ermöglichen, die Folgen verschiedener Interventionen abzuschätzen.

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