Robotik: Wie verändern Roboter die Gesellschaft?

Neben Technikern sind auch Philosophen, Sozialwissenschaftler und Juristen gefragt, wenn es um die gesellschaftlichen Folgen fortgeschrittener Roboter geht.

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Robotik: Wie verändern Roboter die Gesellschaft?

(Bild: Phonlamai Photo / Shutterstock.com)

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Hans-Arthur Marsiske
Inhaltsverzeichnis

Die International Conference on Robotics and Automation (ICRA) ist eine Veranstaltung, auf der vorrangig Ingenieure und Informatiker ihre Forschungsergebnisse austauschen. In den vergangenen Jahren ist jedoch mehr und mehr deutlich geworden, dass die Robotik als soziale Technologie massive gesellschaftliche Auswirkungen haben wird. Um die besser zu verstehen und darauf vorbereitet zu sein, ist die Beteiligung anderer wissenschaftlicher Disziplinen unerlässlich.

Im ICRA-Workshop How will Autonomous Robots and Systems Influence Society?, der am Donnerstag als Zoom-Meeting stattfand, diskutierten neben Ingenieuren auch Philosophen, Sozialwissenschaftler und Juristen, was für neuartige Beziehungen zwischen Menschen und intelligenten Robotern entstehen, welche Risiken damit verbunden sein könnten und ob die Rechtssysteme auf die daraus erwachsenen Konflikte vorbereitet sind.

Minoru Asada (Osaka University) gab zu Beginn zu bedenken, dass der Begriff der Autonomie neu überdacht werden müsse. Philosophen hätten sich zu sehr am Menschen orientiert und eine zu klare Grenze zwischen Menschen und Objekten gezogen. Als möglichen Orientierungspunkt für eine Neuausrichtung verwies er auf das Konzept der Autopoiesis, das in den 1970er-Jahren von den chilenischen Biologen Humberto Maturana und Francisco Varela entwickelt wurde und versucht, die Charakteristika lebender Systeme mithilfe der Systemtheorie zu definieren. Auf dieser Grundlage erscheine die Unterscheidung von Mensch und Roboter nicht mehr so klar.

Interessant ist Asadas Gedanke, dass die Wahrnehmung von Schmerz wesentlich für die Herausbildung eines Selbstbewusstseins sei. Dank der Spiegelneuronen im Gehirn seien Menschen und Säugetiere zudem in der Lage, Schmerz bei anderen wahrzunehmen, was zur Evolution der Empathie geführt habe. Zwar knüpfte keiner der Workshop-Teilnehmer direkt an diese Idee an, aber das Konzept der Beziehungen und Interaktionen, stand auch in anderen Beiträgen im Mittelpunkt.

So verwies der Philosoph Peter-Paul Verbeek (Uni Twente) darauf, dass Technologie nicht mehr einfach von den Menschen genutzt werde, sondern auf vielfältige Weise in die Gesellschaft eingebettet sei. Aus dem instrumentellen Verhältnis zur Technologie sei ein wechselseitiges geworden: Die vom Menschen geschaffene Künstliche Intelligenz beeinflusse wiederum das menschliche Denken selbst. Die Trennlinie zwischen Mensch und Maschine sei unscharf geworden. Schon heute sei es oft schwierig zu unterscheiden, ob es sich beim Gesprächspartner am Telefon um einen Menschen oder einen Computer handle.

Es gelte, das Konzept des Andersseins zu überwinden und in den Blick zu nehmen, wie Technologien uns mit der Welt verbinden, postulierte Verbeek. In solch einem Rahmen der Vermittlung sei nicht mehr die Frage entscheidend, ob Roboter Intentionen haben, sondern wie die Intentionalität sich durch Beziehungen mit Robotern verändere. Als Beispiel für die Komplexität und Vielfalt der neu entstehenden Beziehungen nannte Verbeek Telepräsenzroboter und die damit verbundene Körpererfahrung, die wiederum die Selbstwahrnehmung verändere und zu völlig neuen sozialen Interaktionen führe.

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Der Jurist Tatsuhiko Inatani (Kyoto University) bezeichnete die entstehende "Multi-Spezies-Gesellschaft" als eine große Herausforderung an die Rechtssysteme. Das Recht habe sich bisher auf die Beziehungen zwischen Bürgern und Staat konzentriert, doch inzwischen übe die durch private Unternehmen entwickelte Technologie einen wachsenden Einfluss auf das Wohlergehen der Menschen aus, was neue politische Steuerungsmechanismen erfordere. Inatani fordert einen Übergang von der Herrschaft des Gesetzes zur Herrschaft der Vernunft – bei der das Recht allerdings als Katalysator fungieren könne.

Es gab aber auch Zweifel, ob Robotern der Status einer eigenen Spezies eingeräumt werden kann. Der Psychologe Dylan Jones (Cardiff University) nannte die Körperlichkeit von Robotern (embodiment), ihre Fähigkeit, neues Verhalten zu entwickeln (emergence), und ihre soziale Wertigkeit (social valence) als Kriterien, die ihre Besonderheit ausmachen sollen. Die Körperlichkeit sei jedoch nicht trennscharf genug, um einen Roboter von einem Computer unterscheiden zu können.

Bei der Entwicklung neuen Verhaltens sei es unklar, ob es auf die Programmierung zurückgehe oder eine kreative Schöpfung sei. Und der Umstand, dass Roboter eher als menschenähnliche soziale Akteure statt als Werkzeuge wahrgenommen würden, habe vielleicht eher mit kulturellen Traditionen zu tun. Jones verwies auf beliebte Fernsehshows in Großbritannien, in denen Tiere wie menschliche Akteure inszeniert werden. Er vermutete, dass Roboter sich letztlich nicht stärker vom Menschen unterschieden als Tiere. Es sei möglicherweise nur die Neuheit von Robotern, die ihnen derzeit noch einen Sonderstatus garantiere.

(vbr)