Zulassungszahlen im Zeichen der Krise

Im ersten Halbjahr 2020 mussten die Autohersteller einen beispiellosen Niedergang der Zulassungszahlen verkraften. Ist Besserung in Sicht?

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 15 Kommentare lesen
VW Golf

Eines zumindest ist konstant: VW verkauft hierzulande viel mehr Autos als alle anderen. Auf Platz zwei folgt Mercedes.

(Bild: Pillau)

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Martin Franz
Inhaltsverzeichnis

Das erste Halbjahr 2020 ist Geschichte und nichts ist so gekommen, wie es prognostiziert wurde. Die Corona-Pandemie hat sämtliche Planungen der Autohersteller obsolet gemacht, und die Hoffnung darauf, dass in der zweiten Hälfte Nachhol-Effekte die Jahresbilanz wieder komplett geradebiegen, tragen vermutlich nur unerschütterliche Optimisten in sich.

Der Einbruch bei den Zulassungszahlen ist epochal und zeigt noch nicht einmal das komplette Bild. So wurden 1.210.622 Neuwagen in den ersten sechs Monaten 2020 neu zugelassen. Das entspricht einem Rückgang von 34,5 Prozent bzw. knapp 640.000 Autos weniger. Da in den Zahlen des ersten Halbjahres 2020 noch viele Bestellungen aus den vorherigen Monaten stecken, kommt der eigentliche Niedergang noch. Erst in der nahen Zukunft wird der Bestellrückgang der zurückliegenden Monate voll durchschlagen. Firmen in Not ordern nicht so ohne weiteres eine frische Fahrzeugflotte. Private Neuwagenkäufer, die hierzulande etwas mehr als ein Drittel aller Neuwagen-Bestellungen auslösen, sind vielfach in Kurzarbeit, was so manchen Kauf auf ungewisse Zeit verschoben haben wird.

Es gibt im ersten Halbjahr keinen Hersteller mit einem Plus bei den Zulassungszahlen, allerdings hat die Krise die Anbieter unterschiedlich hart getroffen. Smart (minus 88,7 Prozent weniger als im ersten Halbjahr 2019), Suzuki (- 55,7), Mazda (-51,5) und Dacia (- 50,5) hat es am schlimmsten erwischt. Jaguar (- 15,5), Mitsubishi (- 14,5) und DS (- 8,6 Prozent) stehen zumindest vergleichsweise gut da.

Stark gefragt waren im ersten Halbjahr Wohnmobile, von denen 9,5 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum verkauft wurden. Gewaltig zulegen konnten auch die alternativen Antriebsarten: Elektroautos (+ 42,7 Prozent), Hybride (+ 54,6), darunter Plug-in-Hybride (+ 199,8) waren stärker gefragt als je zuvor, was natürlich am wachsenden Angebot und einem Feuerwerk an Subventionen liegt. An dem ist nicht nur der Steuerzahler beteiligt, sondern auch die Hersteller – der neue Flottengrenzwert ist schließlich nicht aufgeschoben worden.

Zulassungszahlen 1.HJ 2020 (5 Bilder)

223.227 Auto konnte VW hierzulande in den ersten sechs Monaten absetzen. Im Bild: VW Golf (Test)
(Bild: Pillau)

Selbst der Erdgasantrieb, von Volkswagen im März 2020 offiziell der Zukunft beraubt, konnte gegenüber dem ersten Halbjahr 2019 um 11,2 Prozent zulegen, was an seinem Untergang im Pkw freilich nichts ändern wird. Der auf den ersten Blick gewaltige Rückgang von 81,6 Prozent bei Neuwagen mit Flüssiggas relativiert sich rasch: Das ohnehin schmale Angebot wurde noch kleiner, Autos mit LPG hat ab Werk kaum noch jemand im Sortiment.

Das zweite Halbjahr 2020 wird mit einiger Wahrscheinlichkeit besser laufen als das erste, wenngleich die Prognosen zu einer wirtschaftlichen Erholung recht unterschiedlich ausfallen. Der gewissermaßen von Amts wegen zum Optimismus verpflichtete Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) rechnet im Herbst damit: „Ich bin mir sicher, dass wir den Abschwung unserer Wirtschaft nach der Sommerpause stoppen können und spätestens ab Oktober die Wirtschaft in Deutschland wieder wächst“, sagte er der Bild am Sonntag (Ausgabe vom 5. Juli 2020).

Etwas weniger zuversichtlich gibt man sich auf EU-Ebene: „Die wirtschaftlichen Auswirkungen des Lockdown sind ernster, als wir das ursprünglich erwartet haben“, sagte EU-Kommissionsvize Valdis Dombrovskis am Dienstag (7. Juli 2020). „Wir navigieren immer noch in stürmischer See und stehen vor vielen Risiken, darunter eine weitere große Infektionswelle.“

Diese Prognosen stehen naheliegenderweise allesamt auf wackligen Beinen. Sollte es eine große Welle an Neuinfektionen geben, dürfte es viele Betriebe, die derzeit am Abgrund stehen, darüber hinausspülen. Das könnte die Autohersteller, die ja einen Großteil der neuen Fahrzeuge an gewerbliche Kunden verteilen, empfindlich treffen.

Sollte es dazu nicht kommen, darf die Autoindustrie derweilen hoffen, dass der überreichliche Steuersegen Früchte tragen wird. Elektroautos und Plug-in-Hybride werden in Größenordnungen mit Subventionen bestückt, die nicht nur in normalen Zeiten eigentlich nachdenklich machen sollten. Hinzu kommt die temporäre Mehrwertsteuersenkung, die sich bei kostspieligen Anschaffungen wie einem Neuwagen natürlich besonders drastisch auswirkt. Dazu werden sich die Autohersteller mit einiger Sicherheit im zweiten Halbjahr eine Rabattschlacht um die verbliebenen Kunden liefern. Gute Aussichten also für jene, die jetzt ein neues Auto suchen.

(mfz)