"Kopfgeldaffäre": The Star Spangled Pranger

US-Geheimdienste, Demokraten und die NY-Times wollen glauben machen: Trump und Putin haben sich verschworen. Die Message kommt an. Und verhindert womöglich den Truppenabzug aus Afghanistan - und aus Deutschland

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Auch der diesjährige US-Wahlkampf kommt nicht ohne die Feindbilder China und Russland aus. Während Trumps Kampagne darauf abzielt, Biden als "soft on china" darzustellen, wird Trump als Marionette Putins inszeniert. Trumps Präsidentschaft sei ein "Geschenk für Putin", sagte Biden. Die Washington Post titelt "Trump would do anything for Putin". Und das republikanische "Lincoln Project" schaltet im Großraum Washington D.C. Anzeigen beim Sender Fox News, in denen es heißt, Trump sei ein "Feigling, der sich nicht gegen einen Ex-KGB-Trottel wehren kann".

Auslöser für die derzeitige Lawine der Entrüstung sorgt die "Kopfgeldaffäre", sie wurde am 26. Juni von der New York Times lanciert. Die Story ist kurz erzählt: Geheimdienstenberichten zufolge habe Russland den Taliban heimlich Kopfgelder angeboten, um US-Truppen zu töten, doch der Präsident habe das nicht zur Kenntnis genommen und verschulde so den Tod amerikanischer Soldaten. Am Tag danach flankierten Washington Post ("Russian operation targeted coalition troops in Afghanistan, intelligence finds") und Wall Street Journal ("Russian Spy Unit Paid Taliban to Attack Americans, U.S. Intelligence Says") die Story mit eigenen Investigationen.

Trump selbst ging über das Wochenende Golf spielen und antwortete darauf vorhersehbar, die Story sei "Fake-News" und ein "Hoax". Gerade das bedeutet für seine Kritiker, dass an der Story was Wahres dran sein muss. Die Vehemenz seiner Zurückweisung verdeutliche abermals, dass er Russland decke. Selbst Veteranen, die wegen seiner Truppenabzugsversprechen zu den treuesten Anhängern Trumps gehören, distanzieren sich von ihm, nennen ihn einen "Verräter". Die "Söhne" an Front lasse Trump im Stich, zum Vorteil Russlands, das pünktlich zum Wahlkampf als Feind revitalisiert wird.

Fehlende Fakten

Der New York Times-Artikel selbst kommt kaum über Vagheiten (vgl. Afghanistan: Ein "russischer Plot" gegen die USA?) nicht hinaus. An entscheidenden Stellen dominieren Verweise auf anonyme "officials". "behaupten", "glauben" und "folgern" nicht wenig:

Islamist militants, or armed criminal elements closely associated with them, are believed to have collected some bounty money, the officials said.

American intelligence officials have concluded that a Russian military intelligence unit secretly offered bounties to Taliban-linked militants for killing coalition forces in Afghanistan — including targeting American troops

The United States concluded months ago that the Russian unit, which has been linked to assassination attempts and other covert operations in Europe intended to destabilize the West or take revenge on turncoats, had covertly offered rewards for successful attacks last year. – New York Times

Während die Faktenchecker wie Snopes, Politifact und Correctiv nicht zur Tat schreiten, finden einige alternative Medien allerdings reichlich Lücken in dem, was die hochdekorierten Journalisten der Times auftischen. "Beweisfreie Behauptungen von namenlosen Spionen wurden über Nacht zur Tatsache", sagt Alan MacLeod der Glasgow University Media Group auf FAIR. Der Autor des Buches "Propaganda in the Information Age: Still Manufacturing Consent", hat einen geübten Blick. Auch findet er heraus, dass die eigenen Untersuchungen der "WaPo" und "WSJ" keinen Mehrwert böten. Sie stützten sich auf die gleichen "officials". Vom "Anti-Russland-Fieber" spricht Patrick Martin auf WSWS und fragt: "Brauchen die Taliban-Kämpfer angesichts der Tatsache, dass seit fast 20 Jahren bis zum Patt gegen den amerikanischen Imperialismus gekämpft und dabei massive Verluste erlitten haben, einen finanziellen Anreiz, um amerikanische Soldaten zu töten?"

Geheim bleibe auch, um welche Art von "officials" es sich handelt, die der New York Times die Informationen lieferten. Obwohl es "in der politischen Berichterstattung einen Code für anonyme Quellen in den USA" gäbe, der üblicherweise eingehalten würde, sei dies in der Berichterstattung nicht der Fall, bemängelt Moon of Alabama und klärt auf: "Beamte des Weißen Hauses", "Verwaltungsbeamte", "Pentagon-Beamte" oder "Geheimdienstbeamte" stünden zu Auswahl, Quellen aus dem Kongress würden in der Regel als "Beamte" ohne jedes zusätzliche Attribut beschrieben.

Ungewöhnlich ist zudem, dass die New York Times im Erstartikel, der als "Breaking News" veröffentlicht wurde, bereits die Reaktionen Russlands und der Taliban mitschickt. Im Artikel heißt es, "der Kreml sei von den Vorwürfen nicht in Kenntnis gesetzt worden, sagte Dmitri Peskow, der Pressesekretär des russischen Präsidenten Wladimir W. Putin." Herangezogen wird auch Zabihullah Mujahid, ein Sprecher der Taliban, der laut New York Times "bestritt, dass die Aufständischen 'derartige Beziehungen zu irgendeinem Geheimdienst' hätten, und nannte den Bericht einen Versuch, sie zu diffamieren." Mujahid zitiert der Artikel wortwörtlich weiter: "Diese Art von Geschäften mit dem russischen Geheimdienst sind grundlos - unsere Zielmorde und Attentate waren in den Jahren zuvor im Gange, und wir taten es aus eigener Kraft."

Feindbildpflege

Es folgen weitere Artikel in der New York Times mit weiteren "Enthüllungen", vor allem von David Sanger und Eric Schmitt, die einem Team von Reportern der New York Times angehören, die mehrfach mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichnet wurden, 2017 für die Untersuchung von Putins "offene und versteckte" Macht, 2009 für die Berichterstattung über Afghanistan und Pakistan.

In einem Folgeartikel am 1. Juli rufen Sanger und Schmitt ins Gedächtnis, warum Putins Russland eine Bedrohung darstelle. Es bedürfe "keiner Genehmigung von höchster Stelle", um einzusehen, dass "die Liste der russischen Aggressionen der letzten Wochen mit einigen der schlimmsten Tage des Kalten Krieges" rivalisiere, schreiben sie. Sanger und Schmitt versuchen mit folgenden Bedrohungsmomenten zu überzeugen:

Es gab neue Cyberangriffe auf Amerikaner, die von zu Hause aus arbeiten, um Schwachstellen in ihren Unternehmenssystemen auszunutzen, und anhaltende Besorgnis über neue Playbooks für russische Akteure, die die Wahlen im November beeinflussen wollen. Vor der Küste Alaskas haben russische Jets die amerikanische Luftabwehr auf Probe gestellt und US-Kampfflugzeuge losgeschickt, um sie abzufangen. – New York Times

Zu diesem Zeitpunkt hat der erste Artikel längst für genügend "Sprengstoff" gesorgt. Bekräftigt wurde die "jüngste" Bedrohung durch Russland durch namhafte Diplomaten. Steven Pifer, der Botschafter in der Ukraine unter Präsident Clinton, sagte, Russland versuche, "alles in seiner Macht Stehende zu tun, um die Amerikaner zu frustrieren".

Mike McFaul, Obamas Botschafter in Moskau, formulierte es am 1. Juli in seinem Kommentar schärfer:

Diese Bemühungen Putins sind zwar zutiefst beunruhigend, aber nicht überraschend: Es folgt dem klaren Muster, internationale Normen, Regeln und Gesetze zu ignorieren - und die Vereinigten Staaten herauszufordern, etwas dagegen zu unternehmen. Putin betrachtet die Vereinigten Staaten als seinen größten Feind. Er fürchtet unsere demokratischen Werte, er glaubt, dass wir diese Werte aktiv fördern, um Autokraten zu untergraben, ihn selbst eingeschlossen und er verabscheut die liberale internationale Ordnung, die seiner Ansicht nach der amerikanischen Hegemonie dient und Russland schwächt. – Mike McFaul

Umfrage: Mehrheit glaub die Story

Am gleichen Tag klärte Robert O'Brien, Trumps nationaler Sicherheitsberater und Nachfolger von John Bolton, indes auf Politico auf, dass Präsident Trump nicht unterrichtet worden war, da die Anschuldigungen gegen Russland "unbestätigt" waren: "Die Geheimdienstgemeinschaft war sich nicht einig. Infolgedessen beschloss die für die Unterrichtung verantwortliche CIA-Beamtin den Präsidenten "nicht zu informieren, weil es sich um einen nicht verifizierten Geheimdienst handelte."

Der Direktor des Nationalen Nachrichtendienstes, der Nationale Sicherheitsberater und die CIA bestätigte, dass es "Ungenauigkeiten" und "Beweislücken" in der Einschätzung der Beamten gäbe, auf die sich die New York Times gestützt hatte. Diese fiele unter "moderate confidence", also Informationen, die glaubwürdig und "plausibel sind, "aber nicht von ausreichender Qualität oder ausreichend erhärtet, um ein höheres Maß an Vertrauen zu rechtfertigen". Andere Teile der "intelligence community" gehen davon aus, dass es sich um "low confidence" Informationen handelt, geringe Vertrauenswürdigkeit. Am 3. Juli berichtete die Zeitung, das Memo der Regierung wolle "Zweifel an mutmaßlichen russischen Kopfgeldern nähren".

Zwar ist damit die ursprüngliche NY-Times Story selbst "tot", hat aber genügend Aufsehen erregt, um die öffentliche Meinung zu beeinflussen. Laut einer jüngsten Reuters-Umfrage gibt eine Mehrheit der Amerikaner an, dass sie glaubt, dass Russland die Taliban bezahlt hat, um US-Soldaten in Afghanistan zu töten. Zwei von drei Amerikanern sagten, dass sie die Berichte über russische Kopfgelder "sehr" oder "etwas" glaubwürdig fanden. 21% sagten, sie seien nicht glaubwürdig und der Rest sei unsicher.

81 Prozent der Befragten gaben an, "dass sie den russischen Präsidenten Wladimir Putin als eine Bedrohung für die Vereinigten Staaten ansehen", darunter 24 Prozent, die ihn als "unmittelbare Bedrohung" betrachteten.

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