Ältere Menschen schützen sich nicht stärker vor Covid-19

Bild: Bennett Tobias/Unsplash.com

Nach einer Umfrage in 27 Ländern ist die Bereitschaft für Präventivmaßnahmen bei den Älteren, die mit Abstand der am stärksten gefährdete Altersgruppe angehören, mitunter sogar geringer als bei den Jüngeren

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Es gibt wohl kaum jemand, der bestreiten würde, dass ältere Menschen bedrohter sind als jüngere, an Covid-19 schwerer zu erkranken oder auch zu sterben. Daher gelten ältere Menschen, vor allem die Über-65-Jährigen als Risikogeneration. Nun sollte man eigentlich meinen, dass die Menschen, die einem höheren Ansteckungsrisiko ausgesetzt sind, auch eher Schutzmaßnahmen ergreifen. Das ist aber nicht der Fall, wie eine Umfrage des Institute of Global Health Innovation (IGHI) am Imperial College London und YouGov in 27 Ländern zeigt, an der ab Ende April über 72.000 Menschen teilnahmen und die national repräsentativ sind. Ausgewertet hat die Umfrage Jean-François Daoust von der University of Edinburgh für seine Studie, die in PLoS One erschienen ist.

Gefragt wurden die Menschen, ob sie sich (prospektive Selbstisolation) während der nächsten Woche zu isolieren, wenn sie sich nicht wohl fühlen oder eines der folgenden Symptome haben: trockener Husten, Fieber, Verlust des Geschmack- und Riechvermögens, Kurzatmigkeit oder Schwierigkeiten beim Atmen. Gefragt wurde auch nach der Bereitschaft zur Isolation, wenn sie dazu von einem Mitarbeiter des Gesundheitssystems oder einer Behörde aufgefordert würden. Aber es ging auch darum, welche andere Schutzmaßnahmen sie in den letzten sieben Tagen ergriffen haben: das Tragen von Masken, Abstandhalten, Händewaschen oder -desinfizieren, Vermeiden von Geschäften, bevölkerten Orten, Treffen mit mehreren Menschen, Berühren von Oberflächen außer Haus etc.

Die Bereitschaft zur Isolation steigt zwar mit zunehmendem Alter leicht an, bleibt aber ab einem Alter von 60 Jahren konstant, also bei den zunehmend gefährdeten Altersgruppen. Die prospektive Selbstisolation ist bei jüngeren Menschen deutlich weniger ausgeprägt als die Bereitschaft zur Isolation und steigt kontinuierlich bis zum Alter von 75 Jahren an, um dann bei den Älteren wieder stark zurückzugehen.

Zudem fällt auf, dass die Bereitschaft, die Schutzmaßnahmen zu übernehmen, ziemlich hoch ist. Auf einer Skala von 0-16 liegt die Bereitschaft für alle Maßnahmen bei 12 Punkten, aber es gibt praktisch keine Unterschiede zwischen den Altersgruppen. Bei den einzelnen Maßnahmen lassen sich aber doch Unterschiede feststellen, den größten beim Tragen einer Maske. Hier sinkt die Bereitschaft mit dem Alter und ist bei den Über-80-Jährigen am geringsten. Deutlich kleinere Unterschiede gibt es für das Vermeiden öffentlicher Verkehrsmittel, kleiner Versammlungen und die Aufnahme von Gästen, wo die Zurückhaltung mit dem Alter steigt.

Bild: PLoS One/CC BY-4.0

Die Ergebnisse zeigen, so Jean-François Daoust, dass die älteren Menschen, die am gefährdesten sind, schwer an Covid-19 zu erkranken oder zu sterben, nicht stärker als die übrige Bevölkerung bereit sind, sich zu isolieren und zu disziplinieren, wenn es um die Einhaltung von Schutzmaßnahmen geht. "Dieses Verhalten wird besonders wichtig, wenn die Regeln der sozialen Distanzierung gelockert werden", schreibt Daoust, der seine Überraschung anmerkt, warum die am stärksten Gefährdeten sich nicht stärker schützen oder sogar weniger Vorsorge ergreifen, als die weniger gefährdeten Altersgruppen.

Vermutungen stellt er darüber nicht an, sondern fordert nur die Regierungen auf, in ihren Ansatz diese Verweigerungshaltung einzubeziehen, um die Zahl der Todesfälle zu minimieren. Annehmen könnte man, dass mit zunehmendem Alter die Angst vor dem Sterben abnehmen könnte. Vielleicht werden die Risiken nicht verstanden oder als nicht so gefährlich betrachtet, vielleicht glaubt man den Informationen der Medien, Experten und Regierungen nicht oder man blockt Gefährdungen deswegen stärker ab, weil man weiß, dass man sowieso auf den Tod zugeht und man davon nichts wissen will. Es könnte aber auch einfach sein, dass sich ältere Menschen schwer damit tun, ihr Verhalten vorübergehend zu ändern, oder dass sie sich etwa genieren, wenn sie Masken tragen sollen.