Internet-Hetze im Mordfall Walter Lübcke: Immer mehr Verdächtige identifiziert

Die Internet-Hetzer, die den Kasseler Regierungspräsidenten und seinen Tod für ihre Schmähungen ins Visier genommen hatten, werden zunehmend ermittelt.

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Internet-Hetze im Mordfall Walter Lübcke: Immer mehr Verdächtige  identifiziert

Vor diesem Haus wurde Walter Lübcke erschossen. Gegen jene, die daraufhin Hass und Häme über den Ermordeten ins Netz stellten, ermitteln nun Staatsanwälte.

(Bild: Swen Pförtner / dpa)

Lesezeit: 3 Min.
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  • dpa

Die hessischen Ermittler haben nach dem gewaltsamen Tod des Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke mehrere tausend Hass- und Hetze-Kommentare in sozialen Netzwerken überprüft. Mehrere hundert Äußerungen wurden als strafrechtlich eingeordnet und Ermittlungen zur Identifizierung der Urheber durchgeführt, wie das Justizministerium auf dpa-Anfrage mitteilte. 64 Tatverdächtige seien durch diese Ermittlungen bislang identifiziert worden.

Von diesen Ermittlungsverfahren richteten sich neun gegen hessische Beschuldigte, die von der Zentralstelle zur Bekämpfung der Internetkriminalität der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt (ZIT) geführt werden. Die übrigen 55 Ermittlungsverfahren wurden nach Angaben des Justizministeriums an die örtlich zuständigen Staatsanwaltschaften in insgesamt 14 Bundesländern abgegeben.

Ermittelt wird nach Angaben des Justizministeriums wegen Verdachts der öffentlichen Aufforderung zu Straftaten, der Volksverhetzung, der Belohnung und Billigung von Straftaten sowie des Verunglimpfens des Andenkens Verstorbener. Der CDU-Politiker Lübcke war im Juni 2019 auf der Terrasse seines Wohnhauses im Kreis Kassel mit einem Kopfschuss getötet worden. Auslöser der Tat sollen Äußerungen Lübckes zur Aufnahme von Flüchtlingen gewesen sein. Die Ermittler gehen von einer rechtsextremistischen Motivation des Schützen aus. Im September 2019 nahm die ZIT zusammen mit Experten des hessischen Landeskriminalamts die Ermittlungen im Netz zum Fall Lübcke auf.

"Das, was sich nach dem Tod von Walter Lübcke in den sozialen Medien abgespielt hat, war fürchterlich und für einen demokratischen Rechtsstaat nicht hinnehmbar", sagte Justizministerin Eva Kühen-Hörmann (CDU) der dpa. "Wir dürfen Hass und Hetze keine Plattform bieten, weder online noch offline." Hasskriminalität müsse auf allen Ebenen entschieden bekämpft werden.

Im vergangenen Monat sei den Ermittlern bereits ein erster Schlag gegen diejenigen gelungen, die das Internet für ihre Hetze einnehmen, erklärte die Justizministerin. "Damit wird den Betroffenen gezeigt, dass das Internet kein rechtsfreier Raum ist", betonte Kühen-Hörmann. "Nur wenn der Rechtsstaat entschieden dagegen vorgeht, können Hass und Hetze im Netz effektiv bekämpft werden."

Die 64 Ermittlungsverfahren waren die Grundlage für eine bundesweite Razzia von Staatsanwaltschaften in zwölf Bundesländern Anfang Juni. Dabei hatte es Durchsuchungen und Vernehmungen gegen insgesamt 39 Beschuldigte gegeben. Die Ermittlungen zur Identifizierung weiterer Tatverdächtiger dauerten an, teilte die Justizministerin mit.

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Vor dem Oberlandesgericht Frankfurt (OLG) muss sich derzeit der mutmaßlichen Täter Stephan Ernst wegen des gewaltsamen Todes von Walter Lübcke verantworten. Markus H., der zweite Angeklagte in dem Verfahren vor dem Oberlandesgericht, ist wegen Beihilfe angeklagt. Die Experten der Zentralstelle zur Bekämpfung der Internetkriminalität konnten nach eigenen Angaben bislang nicht feststellen, dass sich aufgrund des Lübcke-Prozesses die Fallzahlen im Netz erhöht oder die Einträge von Hass und Hetze verändert haben.

Der deutsche Staatsbürger Ernst hatte die Tat kurz nach seiner Festnahme gestanden. Vor einem Ermittlungsrichter widerrief er dieses Geständnis jedoch wieder und bezeichnete den Tod Lübckes als Unfall. Lübcke war seit dem Jahr 2015 wegen seines Einsatzes für Flüchtlinge wiederholt bedroht worden. Das Verfahren wird am 27. Juli fortgesetzt.

(anw)