Warum es richtig ist, dass auch die Schweiz Spanien-Rückkehrer nun in Quarantäne schickt

Die Daten, die das spanische Gesundheitsministerium liefert, sind inzwischen so absurd wie die offizielle Zahl der Coronavirus-Toten im Land

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Ab Samstag müssen nun auch Spanien-Rückkehrer in der Schweiz in die Quarantäne. Die Eidgenossen schließen sich der richtigen Entscheidung an, die schon zuvor in Großbritannien und Norwegen gefällt haben. Es ist offensichtlich, dass man in den übrigen EU-Ländern nun Spanien, dessen Wirtschaft wie die keines anderen Landes abstürzt, mit Samthandschuhen anfasst und sich selbst der großen Gefahr von Ansteckungen über infizierte Heimkehrer aussetzt. Tests soll es nur für Reisende aus Risikogebieten geben, doch Spanien ist für Deutschland - anders als für die Schweiz - weiter kein Risikogebiet.

Dabei gerät die Lage im ganzen Land, ganz ähnlich wie im Frühjahr, außer Kontrolle. Auch damals wurden Warnungen wie an dieser Stelle im Februar ignoriert. Auch damals war abzusehen, dass das Virus in weiten Teilen Spaniens längst außer Kontrolle war. Nun ist klar, dass die Lage entweder in einigen Landesteilen völlig außer Kontrolle ist oder dass sie droht, außer Kontrolle zu geraten, auch weil nicht die nötigen Maßnahmen getroffen wurden.

Das Problem in Spanien ist, dass die Behörden unfähig sind, vernünftige Daten zu liefern. Im Madrider Gesundheitsministerium übernimmt man nicht einmal gelieferte Daten aus den Regionen in die Statistik. Aber das sind auch Regionen, wie die Hauptstadtregion Madrid, die einfach kaum Tests durchführen, um keine Besorgnis erregenden Infektionszahlen zu bekommen, die negativ beäugt werden. Das Auswärtige Amt (AA) in Berlin fiel auf diesen Trick herein und sprach Reisewarnungen nur für Katalonien, Aragon oder Navarra aus. Realisiert wurde dort nicht, dass sich die Lage in Katalonien längst stabilisiert hatte.

Relativ hohe Infektionszahlen waren dort festgestellt worden, weil getestet wurde und getestet wird. Schon vergangene Woche waren eine halbe Million Test durchgeführt worden. Derzeit finden Massentests in den großen Städten wie Sabadell, Terrassa und Ripollet statt. Nur wenn man die Infektionszahlen mit den Zahlen über Tests und den Einweisungen in Hospitäler verbindet, erhält man ein ungefähres Bild.

So sticht Madrid hervor, denn die große Region hat nur etwa 40.000 Tests durchgeführt! Trotz allem nimmt sie nun auch bei der offiziellen Zahl der Neuinfektionen wie erwartet einen Spitzenplatz ein. In den letzten 24 Stunden zählt das spanische Gesundheitswesen 1.772 neue Infektionen im gesamten Land. Davon fand sich (offiziell) fast ein Drittel mit 539 in der Hauptstadtregion. Nun fällt sogar dem Gesundheitsminister Salvador Illa auf, wieder einmal viel zu spät, dass in Madrid etwas völlig schief läuft. Er fordert Maßnahmen, für Barcelona hingegen stellt er eine "Stabilisierung" fest.

"Spanische Zahlen"

Nach den Zahlen aus seinem Ministerium hat Madrid nun fast so viele neue Infektionen wie die Krisenregion Aragon, wo es mit 614 noch immer etwas mehr sind. Weit abgeschlagen ist dagegen Katalonien. In den letzten 24 Stunden wurden nur noch 146 neue Fälle in der Statistik des spanischen Gesundheitsministeriums aufgeführt.

Allerdings sind das sehr "spanische Zahlen", denn Kataloniens Gesundheitsministerium liefert ganz andere Daten. Demnach wurden nicht 146 neue Infizierte festgestellt, sondern mit 1.444 praktisch eine Zahl, die um den Faktor 10 höher liegt. Man kann den Katalanen also nicht vorwerfen, die Lage in der Region schönzurechnen, sondern viel eher dem spanischen Gesundheitsministeriums.

In Madrid werden entweder gemeldete Zahlen aus den Regionen klein gerechnet oder es herrscht die totale Unfähigkeit. Dass aus dem Gesundheitsministerium Mondzahlen geliefert werden, hat die Zeitung El Confidencial vorgerechnet. Sie hat sich die Mühe gemacht und hat die offiziellen Zahlen des Gesundheitsministeriums mit den offiziellen Daten aus den Regionen verglichen.

Das Ergebnis: Die Zahlen zu Einlieferungen in Hospitäler und Intensivstationen weichen enorm voneinander ab. Während die Regionen 168 Einweisungen auf Intensivstationen nach Madrid gemeldet haben, sind es für das spanische Gesundheitsministerium 65 weniger. Und die Zahl der Einlieferungen in Hospitäler ist real mit 1.461 fast drei Mal so hoch wie die 594, die das spanische Gesundheitsministerium meldet. Es fehlen 921 Fälle.

Die Mehrzahl davon entfällt mit 436 auf die Region Aragon. Und hier zeigt sich der krasse Unterschied zur Nachbarregion Katalonien. An der Grenze von beiden Regionen entwickelten sich fast gleichzeitig vor einem Monat Hotspots über Erntehelfer. Während Katalonien die Lage längst wieder weitgehend im Griff hat, gerät sie derweil in Aragon immer weiter außer Kontrolle.

Insgesamt wiederholt sich die völlig falsche Zählweise, die von der Zahl der Corona-Virustoten den Telepolis-Lesern längst bekannt ist. So zählt das Gesundheitsministerium bis heute weiterhin nur gut 28.000 Tote, dabei hat im Land auch das Statistikamt (INE) allein bis zum 24. Mai schon eine Übersterblichkeit von 44.000 im Vergleich zu Vorjahren festgestellt.

So ist angesichts der fatalen Daten- und der sich zuspitzenden Infektionszahlen völlig richtig, dass die Schweiz einer Empfehlung gefolgt ist, die auch hier vor einer Woche angesichts der Entwicklungen in Spanien angesprochen wurde (siehe Spaniens Wirtschaft im freien Fall) - und die müssten sich eigentlich alle Länder zu Herzen nehmen: "Insofern wäre es eigentlich sogar angebracht, Großbritannien und Norwegen zu folgen und eine Quarantäne für Rückkehrer aus Spanien anzuordnen."

Aber es ist auch der Schweiz zu raten, die Quarantäne-Ausnahme für Rückkehrer von den Balearen oder Kanaren schnell aufzuheben. Auch auf beiden Inselgruppen ist die Entwicklung alles andere als positiv. Telepolis hat mehrfach auch auf die "große Ausfahrt" hingewiesen.

Hunderttausende verlassen seit dem Wochenende die Hauptstadtregion Madrid, in der die Dunkelziffer bei Infektionen enorm sein muss, und viele Hauptstädter strömen natürlich auch auf die Inseln, viele mit dem Virus im Gepäck. Auch hier wiederholt sich ein Vorgang aus dem Frühjahr.