Kommentar: Wo bleibt die Grundversorgung mit Internet?

In Deutschland kann man wochenlang auf Internet warten, wenn man Pech hat. Eine Grundversorgung mit Internet würde das ändern. Ein Kommentar.

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Wo bleibt die Grundversorgung mit Internet?

"VeRbUnDeN, kEiN iNtErNeT" – danke für nichts.

(Bild: oml)

Lesezeit: 4 Min.

In Deutschland ist ja alles geregelt. Wer umzieht, hat sofort Strom aus der Steckdose, Gas im Heizkessel und frisches Wasser aus dem Hahn. Das dreckige Wasser fließt ab, Müllmänner schleppen Abfall weg. Wer ein Haus kauft, übernimmt vorerst die Wohngebäudeversicherung des Vorbesitzers, ein Auto kann man nur mit gültiger Kraftfahrzeugversicherungsbestätigung anmelden. Deutschland halt. Alle wichtigen Dinge sind geregelt.

Allerdings hören die wichtigen Dinge beim Internet auf. Deutschland halt. Denn kein Gesetz schreibt eine Grundversorgung mit Internet fest. Dabei ist sie dringend notwendig.

Wer die Wohnung oder das Haus wechselt, muss eventuell wochenlang ohne Internet auskommen. Das kann passieren, weil Anbieter überlastet sind und zu wenig Techniker haben oder weil man zu spät einen Internetvertrag abgeschlossen hat. Oder das passiert, weil der erste Anschlusstechniker nicht klingelt, der zweite kein Signal bekommt und den Messtechniker ruft, der Messtechniker nochmal nachmisst und den Tiefbautechniker ruft, der Tiefbautechniker zufällig eine kleine Dose mit drei unverbundenen Kabeln findet und dem Messtechniker Bescheid sagt, der Messtechniker die drei Kabel verbindet und dem Anschlusstechniker Bescheid sagt und der Anschlusstechniker dann den Anschluss anschließt.

Ein Kommentar von Marvin Strathmann

Marvin Strathmann arbeitet als Redakteur für heise online. Zuvor hat er für Chip Online, Focus Online, Zeit Online und die Süddeutsche Zeitung über Digitales geschrieben.

Sowas kann passieren. Und dann sitzt man da, kann nicht Zuhause arbeiten, keine Überweisung am Laptop tätigen oder die smarten Lampen anschalten. Klar, man kann kurzfristig auf mobile Daten ausweichen. Das ist wie Kerzen anzünden bei einem Stromausfall: Es funktioniert, ist aber kein Zustand für mehrere Wochen. Deutschland halt, mit seinen horrenden Preisen für mobile Daten.

Mit einer Grundversorgung für Internet wäre das kein Problem. Router reinstecken, fertig. Denn wie bei Strom und Gas würde man in diesem Fall automatisch auf einen Grundversorgertarif zurückfallen bis der Wunschtarif bereitsteht. Sagen wir bundesweit 32 MBit/s, das reicht locker für Bankgeschäfte und Homeoffice. Mit der Zeit müsste er natürlich weiter steigen.

Die Grundversorgung ist nicht kostenlos. Man zahlt Grundversorgertarife für Strom und Wasser, für die Abfallentsorgung zahlt man auch und für den Versicherungsschutz sowieso. Hier geht es nicht um kostenloses Internet, es geht darum, durchgehend Internet zu haben, sofort. Man zahlt den Tarif beispielsweise anteilig, wer 8 Tage die Grundversorgung mit Internet bezogen hat, zahlt auch nur 8 Tage. Ab dem 9. Tag gilt dann der Wunschtarif.

Und wer gar kein Internet benötigt, muss eben eine Stilllegung des Internetanschlusses beantragen. Auf solche Leute sollte man nicht mehr so viel Rücksicht nehmen, der Standard sollte das Vorhandensein von Internet sein, nicht das Fehlen.

Bleibt noch die Organisation. Wer stellt das Internet bereit? Man könnte es der Telekom aufbürden, schließlich ist sie schon für andere Grundversorgungsleistungen verantwortlich: den Telekommunikationsanschluss und den Telefondienst. Alternativ könnten regionale Provider einspringen, quasi handgeschöpftes Internet aus Ihrer Region. Dafür müsste man vermutlich noch einige Gesetze ändern, aber dafür sind Gesetze ja da.

Die Regierung ist übrigens nicht ganz untätig. In einer unverbindlichen Selbstverpflichtung will sie allen Bürgern bis 2025 schnelles Internet ermöglichen. Ein Gesetzentwurf, der das regeln soll, stottert momentan so vor sich hin wie ein Netflix-Stream über ein 56K-Modem. Da gehts auch mehr darum, überhaupt mal Glasfaserkabel in alle Ecken des Landes zu legen.

Kabel verlegen ist prinzipiell gut, eine echte Grundversorgung wird dadurch wohl nicht entstehen. Denn Nutzer sollen innerhalb einer angemessenen Frist mit Internet versorgt werden, schreibt das Handelsblatt und zitiert aus dem Entwurf. Es geht aber nicht um eine angemessene Frist, es geht um sofort.

Aber wer weiß, wer bis dahin die Regierung stellt und wie deren Netzpolitik aussieht. Man kann nur hoffen, dass bis zur Einführung einer Grundversorgung im Jahr 2025 oder 2040 oder 2087 nichts Dramatisches passiert. Etwa eine Pandemie, bei der man sich keine Internetunterbrechungen erlauben sollte. Das wäre echt doof für ein Land, in dem alles Wichtige geregelt ist.

(str)