Linux-Desktop Gnome 3.38: Neue Version mit verbessertem Multi-Monitorbetrieb

Die neue Gnome-Version schraubt stark am Compositor und am Window-Manager. Installierte Anwendungen sollen dank umgebauter Übersicht leichter auffindbar sein.

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Linux-Desktop Gnome 3.38: Neue Version mit verbessertem Multi-Monitorbetrieb

(Bild: Screenshot)

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • David Wolski
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Gemäß dem gewohnten Entwicklungszyklus hat die Gnome-Foundation sechs Monate nach der letzten Version das überarbeitete Gnome 3.38 ("Orbis") veröffentlicht. Wie die Gnome-Shell-Entwickler in ihrem Blog schreiben, ging es in den letzten zwei Monaten ungewöhnlich hektisch zu, nachdem einige geplante Änderungen erst spät ihren Weg in die neue Version fanden.

Während die Desktop-Umgebungen primär Feinschliff – unter anderem an den Programmen und in der Bedienung der App-Übersichtsseite – aufweisen, stecken deutlichere Verbesserungen unter der Oberfläche, genauer: im Compositor "Mutter".

Gnome 3.38 – erste Eindrücke (7 Bilder)

Individuelle (An-)Ordnung

Die Anwendungsübersicht, in Gnome "App-Grid" genannt, hat die deutlichsten Neuerungen erhalten und erlaubt nun die manuelle Anordnung der Verknüpfungen – auch in Ordnern.

(Bild: Screenshot)

Im Multimonitor-Betrieb unter Wayland kann "Mutter" mehrere unterschiedliche Bildschirme ab jetzt jeweils mit einer abweichenden, optimalen Framerate ansprechen. Ist ein Monitor mit einer Bildwiederholfrequenz von 144 Hz und ein weiterer mit 60 Hz angeschlossen, so braucht der Window-Manager nicht mehr auf den Bildschirm mit niedrigerer Wiederholrate zu warten, sondern zeichnet das Bild pro Ausgabegerät in dessen nativer Frequenz neu. Dazu haben die Entwickler den Framezeitgeber in einer Wayland-Session mit mehreren Bildschirmen aufgeteilt.

Im Vollbildmodus, etwa bei Mediaplayern und Spielen, werden die Inhalte nicht mehr über den Compositor gezeichnet, sondern direkt auf den Bildschirm ausgegeben. Das reduziert CPU- und GPU-Last merklich und beschert eine flüssigere Ausgabe. Mit einem ähnlichen Feature experimentierte auch KDE Plasma in der Vergangenheit, allerdings ließen sich unter der Plasma-Oberfläche nie alle Anzeige-Bugs bei der Umgehung des Compositors beseitigen.

Auch für Gnome 3.38 mussten sich die Entwickler Lösungen für nicht ganz alltägliche Situationen überlegen. Während eines Screencasts beispielsweise kopiert Gnome die Ausgabe der Vollbildanwendung direkt in den Aufnahme-Stream.

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Zur Umsetzung des neuen Features waren laut einem Eintrag im Gnome Entwickler-Blog fünf Jahre sowie die koordinierte Zusammenarbeit dutzender Entwickler erforderlich.

Zurück an die Oberfläche: Zu den Änderungen auf dem Desktop gehört eine anpassbare Anwendungsübersicht, die Gnome als "App-Grid" bezeichnet. Um abgeschnittene Symbole und Beschriftungen auf kleineren Bildschirmen zu vermeiden, passt sich die Icongröße im App-Grid der Monitorauflösung an. Bislang zeigten sich die installierten Programme hier in einer statischen, alphabetischen Übersicht sowie einer Zusammenfassung der häufig gestarteten Anwendungen. Letztere gibt es jetzt nicht mehr. Dafür können die Verknüpfungen jetzt manuell per Drag'n'Drop angeordnet werden, und auch eine Zusammenfassung mehrerer Symbole in einen automatisch erstellten Ordner im Stil von Launchern auf Smartphones ist möglich.

Das App-Grid ist ein Feature, dass sich die Anwendergemeinde schon länger wünschte und das die Macher der Linux-Distribution Endless OS bereits letztes Jahr umsetzten. Allerdings gelten die Patches erst jetzt als ausgereift genug. Eine Nebenwirkung der Neuerung ist, dass die Anzahl der angezeigten Symbole im App-Grid pro Seite jetzt auf 24 Einträge festgelegt ist.

Dank der Daten von Open Street Map, die unter anderem auch von Microsoft ergänzt werden, bietet Gnome-Maps ansehnliche Karten und Satellitenaufnahmen. Der Satellitenmodus ist mit anklickbaren Markierungen brauchbarer geworden. Der Gnome-Webbrowser – in vielen Linux-Distributionen bisher aufgrund seines eingeschränkten Funktionsumfangs nicht vorinstalliert – kann nun Daten von Google Chrome/Chromium importieren und hindert Videos mit Sound am automatischen Abspielen.

Gnome-Boxes, ein grafisches Front-End zur Virtualisierung mit QEMU, KVM und Libvirt hat einen Editor für die Konfigurationsdatei im XML-Format erhalten, den der Virt-Manager als alternatives Front-End schon länger besitzt. Damit sind Konfigurationen möglich, die in den grafischen Menüs nicht abgebildet werden. Ein neuer Dialog zum Anfertigen von Bildschirmfotos sorgt für mehr Übersichtlichkeit.

Gnome 3.38 wird (in leicht modifizierter Form) als Desktop-Umgebung im kommenden Ubuntu 20.10 Desktop dienen, das am 22. Oktober erscheinen soll; außerdem im ebenfalls im Oktober erwarteten Fedora 33.

Zum Ausprobieren des neuen Gnome-Desktops kann aktuell das von der Fedora-Projektseite herunterladbare Fedora Rawhide dienen, in dessen Paketquellen Gnome 3.38 bereits vorliegt und von dem auch die Screenshots in unserer Bilderstrecke stammen. In Kürze dürften die aktuellen Pakete auch in Arch Linux verfügbar sein.

Weitere Details zur neuen Version verraten die Release-Notes zu Gnome 3.38.

(ovw)