"Wir stehen erneut vor einem ernsthaften Gesundheitsnotstand"

Der Harvard-Professor und Berater der spanischen Regierung Miguel Hernán macht deutlich, dass die Lage in Madrid ähnlich wie im März ist, die Intensivstationen sind bereits mit Covid-Patienten überlastet

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Dass sich die Lage in der spanischen Hauptstadtregion seit Wochen wegen geschönter Zahlen und dem Fehlen von Maßnahmen einer unfähigen Rechtsregierung fatal entwickelt hat, ist für Telepolis-Leser wahrlich keine Neuigkeit mehr. Sogar die Rechtsregierung der Volkspartei (PP) und Ciudadanos (Cs) die sich von der rechtsradikalen Partei VOX dulden lässt, musste am vergangenen Montag schließlich handeln. Allerdings stellte sie in einer diskriminierenden Aktion nur arme Zonen unter eine neue Ausgangssperre, obwohl die Lage in der Innenstadt zum Teil sogar deutlich schlechter war.

Inzwischen machen ausgewiesene Experten klar, dass die ohnehin schon sehr schlechten Daten aus der Hauptstadtregion noch deutlich geschönt sind. In einem Twitter-Thread weist der Harvard-Professor Miguel Hernán, der im Frühjahr die spanische Regierung beraten hat, darauf hin, dass die Lage in Madrid sogar noch deutlich gravierender ist, als von Telepolis ohnehin schon erwartet wurde. Zunächst stellt der renommierte Epidemiologe klar, dass die Aussage der Regionalregierung, wonach 36% der Betten auf Intensivstationen (UCI) derzeit mit Covid-Patienten belegt seien, hingebogen ist. "Gestern waren 95% der UCI-Betten in Madrid mit COVID-19-Patienten belegt" und die in öffentlichen Krankenhäuser sogar schon mit 112%

Er kann sich bei seiner Aussage auf Ärzte aus 62 Krankenhäusern der Hauptstadtregion beziehen, die schon am 18. September vermeldet haben, dass praktisch alle Betten auf Intensivstationen mit Covid-Patienten belegt sind. Und der Professor erklärt auch, wie die Ultras in Madrid die Zahlen aufhübschen. Sie werten als Intensivstationsbetten alle, die über einen Anschluss für ein Beatmungsgerät verfügen. Deshalb liegt die Zahl der Covid-Patienten derzeit mit 112% sogar schon über der Zahl der Betten auf Intensivstationen, über die Madrid real verfügt. Er zeigte das an Beispielen wie dem Hospital 12 Oktober auf. Es hat real "24 UCI-Betten", aber 34 Eingelieferte sind schon wegen Covid-19 auf Intensivstationen eingeliefert.

Er appelliert eindringlich: "Journalisten sollten aufhören, die unglaubwürdigen Daten" der Regionalregierung zu nutzen. Er kommt zu dem Ergebnis, dass "Madrid erneut vor einem ernsthaften Gesundheitsnotstand steht". Ohne Tracking, ohne Diagnosekapazität, ohne Überwachung der Isolation und Quarantäne habe man nur darauf vertrauen können, die Hospitäler nicht zu überlasten. Doch genau das ist nun wieder der Fall. Die Lage in Madrid ist vergleichbar mit der Mitte März, auch nach offiziellen Zahlen wurden am 16. März zum Beginn des Alarmzustands knapp 3400 Menschen wegen Covid in Hospitäler eingeliefert, am Dienstag waren es schon mehr als 3600.