Blackrock-Enteignen - aber wie?

Screenshot aus dem Video, das die Veranstaltung dokumentiert

Am Wochenende fand in Berlin das Tribunal gegen Blackrock statt. Nach dem Urteil verstößt der Konzern "gegen die wesentlichen Prinzipien der Demokratie, gegen Völkerrecht und Menschenrechte"

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Seit Januar 2020 bereitet ein kleines Organisationsteam das Blackrock-Tribunal vor (Kann man eine solche Kapitalmacht mit einem Tribunal angreifen?). Nach Verzögerungen durch den Corona-Lockdown und internen Zerwürfnissen hat das Tribunal am vergangenen Samstag in einem Konferenzraum auf dem Campus der Freien Universität Berlin stattgefunden. Ca. 150 Teilnehmer haben sich Analysen von Referenten angehört, die schilderten, wie der globale Finanzdienstleister auf dem Gebiet von Umwelt, Ökonomie und Rüstung agiert.

So wurde die Rolle von Blackrock beim Rüstungskonzern Rheinmetall analysiert. Dabei gilt hier wie in vielen anderen Bereichen der Grundsatz: Fast überall ist Blackrock dabei, doch agiert er im Hintergrund. Nicht nur bei Kapitalismuskritikern ist der große Einfluss von Blackrock Thema. Schon im letzten Jahr schrieben Börsen-Journalisten:

Niemand besitzt mehr Anteile an deutschen Unternehmen als Blackrock. Bei vielen der Dax-Konzerne ist der Vermögensverwalter sogar der größte Anteilseigner. Auch im ersten Halbjahr verdiente die Firma Milliarden.

Lothar Gries, boerse.ARD.de

Doch anders als bei wirtschaftsnahen Journalisten war am Ende des Tribunals das Urteil des Tribunals klar:

Das Unternehmen Blackrock mit dem juristischen Sitz in der Finanzoase Wilmington/Delaware USA und dem operativen Hauptsitz in New York/USA wird aufgelöst. Das betrifft auch alle Tochtergesellschaften in den USA und im Ausland.

Urteil des Blackrock-Tribunals

Als Begründung nannte Lutz Mez, dass Blackrock "gegen die wesentlichen Prinzipien der Demokratie, gegen Völkerrecht und Menschenrechte sowie gegen nationale Gesetze" verstößt oder Beihilfe dazu leistet.

Langer Atem gegen Blackrock?

Bei der Abschlussrunde wurde kontrovers diskutiert, was mit den Ergebnissen des Tribunals geschehen soll. Die Journalistin Gaby Weber verwies in einer Gegenrede zum Urteil darauf, dass auf dem Tribunal wesentliche Bereiche der Blackrock-Aktivitäten nicht zur Sprache gekommen seien und regte eine Berufungsverhandlung im nächsten Jahr an. Zudem sprach sie die Schwäche der linken Bewegungen auf globaler Ebene an, so dass die Auflösung von Blackrock in der Realität auf sich warten lassen dürfte.

Auch der emeritierte Politologieprofessor Peter Grottian, ohne den es das Tribunal wahrscheinlich nicht gegeben hätte, beschwor den langen Atem und erklärte, dass es weltweite Erfolge frühesten in Jahrzehnten geben wird. Er verwies darauf, dass es bereits auf verschiedenen Kontinenten Tribunale gegen Blackrock gegeben habe, weitere sind in Planung.

In der anschließenden Diskussion des Publikums wurde schnell deutlich, dass eine Gegnerschaft zu Blackrock noch lange nicht eine grundsätzliche Kritik am Kapitalismus bedeutet. Einige Redner setzen auf innerkapitalistische Reformen und EU-Nationalismus. Sie hielten es für eine gute Idee, EU-Beihilfen für US-Konzerne wie Blackrock oder Coca-Cola zu streichen. Doch was ist das anderes, als Parteinahme in einer Auseinandersetzung zwischen dem Kapital verschiedener globaler Standorte? Ein kapitalismuskritischer Blick auf Blackrock muss von der Grundlage ausgehen, dass Blackrock ein starker kapitalistischer Player ist, um dann die Spezifika dieses Konzerns zu analysieren.

Wer von Blackrock redet, darf vom Kapitalismus nicht schweigen

Hier lag eines der Probleme des Tribunals. Es wurde zu wenig vom Kapitalismus geredet, in dem Konzerne wie Blackrock und Co. agieren können. Doch wer von Blackrock redet, darf vom Kapitalismus nicht schweigen. Erfreulich war, die Beteiligung von Berliner Mieteraktivisten an dem Tribunal. "Durch den politischen Ausverkauf von Wohnungen ist erst die Aufkäufermacht von Konzernen wie Deutsche Wohnen und Vonovia entstanden", erklärte Karin Baumert von der Initiative "Zwangsräumung verhindern". Andere erinnerten, dass das Volksbegehren Deutsche Wohnen und Co. enteignen bald in Berlin starten wird und auch Unterstützung von der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi erhält, was auch eine kleine Schlacht gegen Blackrock ist.

"Blackrock steht für einen verschärften Klassenkampf", sagt der Politologe Philipp Metzger, der zur Finanzialisierung des Kapitalmarkts promovierte und dazu ein Buch veröffentlichte. Auf dem Tribunal sprach er ein Thema an, dass auch in der Mieterbewegung bisher wenig beachtet wird. Er erinnerte daran, dass Vonovia am Kampf gegen aktive Gewerkschaften beteiligt ist. Auch Tarifflucht ist ein Mittel von Wohnungskonzernen, die kritische Beschäftigte genauso wenig schätzen wie kritische Mieter. Hier könnten sich neue Bündnismöglichkeiten auftun.

So ist es sinnvoll, wenn der Blick nicht nur auf die Führungsebene von Wohnungskonzernen gerichtet ist, sondern auf die gesamte Belegschaft. Allerdings sollte man auch bedenken, dass es ein weiter Schritt von unzufriedenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern von Vonovia und Co. bis zu Kritikern der Konzerne ist.

Auffällig war, dass ein Großteil der Teilnehmer des Tribunals zur älteren Generation gehörte. Jüngere Leute waren in der Minderheit. Peter Grottian lobte die "herrliche Altersradikalität". Ein Mitglied der Frauenpartei korrigiert ihn mit Verweis auf die Radikalität der alten Damen. Doch vielen Teilnehmern war klar, dass es ohne die Beteiligung der jungen Generation kaum möglich sein dürfte, Blackrock und Co. real und nicht nur auf dem Papier Grenzen zu setzen.

Das kleine Vorbereitungsteam will sich zunächst von den Strapazen der Kongressvorbereitung erholen, bevor es über die nächsten Schritte beraten wird. Die Stiftung Ethecon, die das Tribunal unterstützte, rief dazu auf, das Urteil in künftigen Protestaktionen und Petitionen zu nutzen und Blackrock an den Pranger zu stellen. Unter dem Motto "Blackrock Stoppen" unterstützt Ethecon Gruppen vor allem aus dem globalen Süden, die sich gegen den Konzern zur Wehr setzen

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