Phosphin auf der Venus? – Eine Kontroverse, ein Datenproblem und Widerspruch

Vor einem Monat schien es, als würde die Venus mit Macht zurück in den Fokus der Forschung rücken. Doch die wissenschaftliche Studie kämpft mit Problemen.

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Was ist dran an den Spektren der Venus?

(Bild: ALMA (ESO/NAOJ/NRAO), Greaves et al. & JCMT (East Asian Observatory))

Lesezeit: 4 Min.

Mehr als einen Monat nach der Bekanntgabe, dass in der Atmosphäre der Venus Spuren des seltenen Moleküls Phosphin (PH3) entdeckt wurde, gibt es immer mehr Widerspruch. So haben die Verantwortlichen eines der für die Analyse genutzten Teleskops die Daten für eine Überprüfung zwischenzeitlich zurückgezogen. Derweil hat eine Gruppe von Forschern aus den Niederlanden bei einer eigenen Überprüfung der Daten keine "statistisch signifikante Entdeckung" des Moleküls ausmachen können. Dazu kommt eine Kontroverse um ein Statement aus den Reihen der Internationalen Astronomischen Union, in dem die Forscher ungewöhnlich deutlich kritisiert wurden.

Hintergrund der Debatten ist das Mitte September veröffentlichte Ergebnis einer Analyse der Atmosphäre der Venus. Die Gruppe von Astronomen hatte demnach dort mit Monophosphan beziehungsweise Phosphin (PH3) ein Molekül gefunden, das auf der Erde nur als Industrieprodukt vorkommt, oder von Mikroben produziert wird. Nach eigenen Angaben haben sie viele alternative Entstehungsmöglichkeiten ausschließen können, eine Bestätigung für Leben auf dem zweiten Planeten des Sonnensystems sei das aber nicht, hatten sie klargemacht. Erste Spuren hatten sie demnach mit dem James Clerk Maxwell-Teleskop (JCMT) gefunden, bestätigen konnten sie die mit dem Atacama Large Millimeter/Submillimeter Array (ALMA) der Europäischen Südsternwarte (ESO).

An der Berichterstattung über den Fund und die möglichen Konsequenzen hatte dann die für Astrobiologie zuständige Kommission der Internationalen Astronomischen Union Anstoß genommen. Einige Medien hätten berichtet, ein "Beweis für Leben auf der Venus" sei gefunden worden, hieß es in einem Statement. Man würde deshalb alle Forscher daran erinnern, dass man das Funktionieren der Medien verstehen müsse, um solche schädlichen Übertreibungen zu verhindern. Das war als Kritik an den Forschern verstanden worden, die sehr deutlich darauf hingewiesen hatten, dass es eben kein Beweis für Leben auf der Venus sei. Die IAU hatte sich später von dem offline genommenen Statement distanziert, dessen Autoren hätten sich entschuldigt.

Während es bei dieser Kontroverse vorrangig um die Öffentlichkeitsarbeit ging, sind später die Daten selbst in den Fokus gerückt. Vergangene Woche teilten Verantwortliche des Riesenteleskops ALMA mit, dass ein "mögliches Problem" mit den dort gesammelten Daten entdeckt worden sei. Sie würden deshalb noch einmal genau geprüft, die Wissenschaftler seien informiert worden. Bis zum Abschluss dieser Analyse sei es auch völlig unklar, ob das mögliche Problem Auswirkungen auf die Forschung zu dem Phosphin in der Atmosphäre der Venus habe. Die Daten wurden parallel dazu vorübergehend vom Netz genommen, was von einigen Beobachtern kritisiert wurde.

Schon in den ursprünglichen Daten hatte ein Team von Forschern um Ignas Snellen von der Universität Leiden keinen "statistisch signifikanten Nachweis von Phosphin" finden können. Das führen sie in einer Forschungsarbeit aus, die dem Fachmagazin Astronomy & Astrophysics vorgelegt, aber noch nicht überprüft wurde. Mit der ursprünglich vorgenommenen Prozedur seien mehrere verschiedene Ergebnisse möglich, die vergleichbare Wahrscheinlichkeiten aufwiesen, ohne dass alle auf Phosphin hinweisen. Nachbearbeitete ALMA-Daten würden sogar gar keinen Hinweis mehr auf Phosphin liefern, tragen sie nach. Sie weisen aber ebenfalls auf die Vorläufigkeit dieser Analyse hin.

Auch wenn damit die Zweifel am ursprünglichen Nachweis von Phosphin auf der Venus wachsen, steht die ursprüngliche Forschungsarbeit noch. Sollte sich herausstellen, dass das Molekül doch nicht nachgewiesen wurde, würden den Spekulationen über dessen Herkunft die Grundlage entzogen. Aber selbst wenn sich der Nachweis bestätigt, hieße das weiterhin nicht, dass das Molekül biologischen Ursprungs sein muss. Insgesamt verdeutlicht der Umgang mit der Studie das Funktionieren des wissenschaftlichen Prozesses. Außerdem bekräftigt er einmal mehr den sogenannten Sagan-Standard (nach Carl Sagan): "Außerordentliche Behauptungen brauchen außerordentliche Beweise."

(mho)