Neulich am Telefon kam das Virus persönlich vorbei

Vielleicht bekomme ich die nicht als der Einzige: Anrufe von Microsoft Support und von Amazon wegen meines Kontos. Natürlich mache ich sofort meinen Bildschirm frei und arbeite fest mit den Herren zusammen.

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Erst neulich abends bekam ich wieder einen dieser Anrufe vom Microsoft. Meistens so gegen 17:30 Uhr auf meinem Festnetzanschluss rufen sie dann an. Die Herren vom Support. Das sei ja ganz toll, dass sie mich erreichten, ich müsse sofort kontaktiert werden, meinen sie dann, weil ich von einem Virus befallen sei. Also, nicht ich, mehr meine Maschine. Soweit sei es ja dann doch noch nicht, auch wenn Bill Gates plane, uns allen Chips impfen zu lassen, um uns gefügig und zu Windows Usern zu machen.


Einerlei. Was den Herren ganz dringend erscheint ist das Aufstarten meines Computers. Ich solle das sofort machen. Und dann würden sie mir einen Virenschutz installieren. Via Telefon. Ich bin dann immer fasziniert, bin auch froh, dass sie das nicht via Dusche oder Backofen probieren wollen. Zum einen wäre es mir peinlich, wenn mir, während ich nackig unter Wasser stehe, ein Antivirenprogramm an mir vorbei geschleust werden würde. Und im Sonntagsbraten hat so ein Ding auch nix zu suchen.

Einerlei. Ich soll ihnen dann immer ein Passwort und meine Nutzerkennung nennen oder halt alles, was man so brauchen kann, für eine Antivirenkur geben. Das ist lieb. Ich gebe ihnen gerne das von meiner Frau. Die hat so ein Chaos auf ihrem Computer, wer sich da freiwillig reinhackt, den soll der Teufel holen. Das wird er dann auch tun. Vor drei Wochen ist einer schreiend aus der Leitung gefallen und hat dabei sehr unanständige Wörter benutzt.

Das ist aber noch gar nichts gegen die Herren und Damen vom Amazon Support, die mir mitteilen wollen, dass mein Account eben mit 1000 USD belastet worden sei und man deshalb die Zugangsdaten von meinem PRIME Account brauche. Ich frage sie erst gar nicht, warum Amazon die nicht kennt, schließlich bin ich ja ihr Kunde, sondern verweise sie darauf, dass das das Konto meiner Mutter sein muss.

Gerne gebe ich den freundlichen Herrschaften die Telefonnummer von Mama. Die kennen das Familienoberhaupt noch nicht. Sonst würden sie sich nicht immer so freundlich dafür bedanken und dann auflegen. Mama textet ihnen dann in Folge mit ziemlich sicher mindestens ein Ohr ab. Und wenn die dann mit ausgebluteten Hinrwindungen auch die Geschichten von Onkel Rudi und dem 1974 leider verstorbenen Dackel auswendig gelernt haben, dann werden sie langsam aber sicher begreifen, dass meine Mama eigentlich gar keinen Computer hat und Amazon immer noch für eine unanständige Damenunterwäschenmarke hält. Danke für's Gespräch, bitte beißen Sie sich jetzt in ihrer Zimmerpflanze fest.

Ja, da habe ich meinen Spaß. Aber mit dem Anruf gestern kann ja niemand rechnen. Da war die Gesundheitsbehörde dran. Man würde mich gerne in Quarantäne schicken, weil man im Tracing von meinem Bekannten ("Sie kennen doch Urs, oder?") feststellen musste, dass der wohl laut App Kontakt mit mir hatte und leider Corona positiv getestet sei. Ich solle also auch die nächsten zehn Tage unter Verschluss. Das täte ihnen leid, aber so sei es nun mal im Moment bei vielen. Ah, da man gerade darüber rede, man würde gerne Zugang zum eigenen Computer bekommen, um ein Kontrollprogramm darauf zu installieren. Das tue nicht weh, aber es kontrolliere, ob ich auch brav in der Wohnung bleibe. Was denn meine Zugangsdaten seien?


Ja, natürlich gebe ich die weiter. Für die Gesundheit ist mir nichts zu umständlich. Wie gut, dass die sich um einen kümmern.