Q-Anon, ein Geschäftsmodell

Bild: Marc Nozell/CC BY-2.0

"Follow the money" war eine der Lieblingsphrasen des US-Verschwörungskults, also haben Reporter von NBC News die Herausforderung angenommen und den Fluss des Geldes zu den drei Q-Produzenten aufgedeckt

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Seit Sommer 2017 hat die Welt der Verschwörungsfreunde einen neuen Champion: Q. Nach Eigendarstellung ein hochrangiger Mitarbeiter eines US-Militärgeheimdienstes mit der (unbestätigten) Sicherheitseinstufung "Q" (daher der Name). Die anonyme Quelle liefert immer neue Hinweise zu angeblichen oder längst bekannten Verschwörungen, deutet Events an, die dann nicht stattfinden, und schickt Internetnutzer aller Altersgruppen auf kurzweilige Schnitzeljagden, die gerne in selbst produzierten Youtube-Videos oder Forumsbeiträgen enden. Immer in kryptischen Formulierungen und immer im Angesicht einer gesichtslosen Bedrohung - US-Medienanalysten sprechen hier von "fear porn", der Lust an der Apokalypse.

Wie Reporter des US-Nachrichtennetzwerks NBC News durch nicht minder geduldige Recherchen herausgefunden haben, stammen die Q-Anon-Veröffentlichungen von drei Personen: der bis dahin eher erfolglosen YouTuberin Tracy Diaz (a.k.a. TracyBeanz) und den wegen Anstiftung zu Gewalt vom Meinungs-Hardcore-Messageboard 4chan gefeuerten Moderatoren Coleman Rogers (a.k.a. Pamphlet Anon) und Paul Ferber (a.k.a. BaruchtheScribe). Das Trio verbreitete seine mitunter spannenden Geschichten danach auf dem noch härteren Messageboard 8Chan (wo man das Verbreiten von Kinderpornografie ebenfalls für Meinungsfreiheit hält) und auf einer eigens auf Reddit (dem vielleicht wichtigsten Diskussionsforum des heutigen Web) gegründeten Seite namens CBTS_Stream (a.k.a. Calm Before The Storm), das bis zu 20.000 Leser:innen hatte, bis es vom Forumsbetreiber wegen neuer Gewaltaufrufe ebenfalls geschlossen wurde.

Heute verbreitet sich Q-Anon vor allem über eigene YouTube-Kanäle und Facebook, wo dann Tausende ahnungsloser Neulandbewohner älterer Semester auf die Verschwörungserzählungen hereinfallen.

Auch wenn die Q-Anon-Macher auch schon als Gäste beim Rechtsaußen-Channel InfoWars auftraten, unterscheidet sich deren Inszenierung in zwei Punkten stark von bisherigen Fake-News-Lieferanten. Zum Einen nutzt Q-Anon, also Tracy, Coleman und Paul, bedingungslos alles, was die alte Verschwörungswelt von Antisemitismus bis Coronaleugnung zu bieten hat, und vermengt es zu einem umfassenden Bedrohungsszenario. Zum Anderen erreicht es die Überzeugungsqualität einer Sekte, deren Mitglieder Fakten daran messen, ob sie mit ihrem Glaubenssystem vereinbar sind.

Diese Überzeugungskraft wird mit eher modernen Mitteln erreicht. Wie die Gamedesigner Adrian Hon und Reed Berkowitz unabhängig voneinander analysierten, folgt Q-Anon exakt den Regeln des Spieledesigns, generiert also ein Alternative-Reality- oder Live-Role-Playing-Game. Hinweise führen zu immer neuen Rätseln, Sackgassen, die unweigerlich entstehen, weil die angebliche Verschwörung gegen Trump, Frieden und Freiheit ja frei erfunden ist, werden zu neuen Rätseln und angeblichen Beweisen dafür, dass die bösen Mächte (a.k.a. Deep State) ja unermüdlich ihr finsteres Werk verrichten. Messageboards und Facebookthreads dienen den Rätselfreunden und Q-Jüngern dazu, sich gegenseitig zu bestätigen, und nicht von ungefähr breitete sich die Internetsekte schnell im Gamer-Chat-Netzwerk Dischord aus.

Neben dem je nach persönlichem Geschmack unterschiedlich hoch zu bewertenden Unterhaltungsfaktor hat die Q-Erzählung einen ganz direkten, ja handfesten Nutzen. Diesen allerdings eher für die drei Macher, die sie mit zahlreichen Links zu ihren kommerziell verwerteten YouTube-Kanälen (z.B. Patriots' Soapbox), und Spendenaufrufen via Paypal und Patreon zu einer stabilen Einkommensquelle machten. Natürlich möchte man den drei Internet-Entrepreneuren spontan zu ihrem finanziellen Erfolg gratulieren, allerdings ist die Wirkung ihrer Verschwörungserzählungen ausgesprochen bedenklich. Es gab in den USA bereits mehrere Zwischenfälle, bei welchen bewaffnete Q-Jünger etwa die Herausgabe erfundener Geheimdokumente forderten oder Gruppen bildeten, um Terroranschläge zu planen.

Fällt nun nach der Wahlniederlage des Q-Idols Trump das Kartengebäude in sich zusammen, könnte die Gefahr realen Blutvergiessens noch sprungartig zunehmen. Und das alles für die finanzielle Sicherheit von drei einzelnen Medienunternehmern; eine für das Internet im Jahr 2020 durchaus typische, an dystopische SciFi-Romane erinnernde, aber dennoch schreckliche Entwicklung, die unbedingt gestoppt werden muss. Zuständig wären hier die Ordnungsbehörden der Vereinigten Staaten, und es besteht Hoffnung, dass diese in den kommenden Jahren wieder ungestört arbeiten können und damit dem Spuk ein Ende setzen.