Kaufhaus Österreich: Spott und Kritik für Alternativportal zu Amazon

Um Händlern im Kampf gegen Amazon, Zalando & Co zu helfen, startete Österreichs Regierung ein "Kaufhaus Österreich". Erstaunte User finden ein Webverzeichnis.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 110 Kommentare lesen
Anzeige in Wiener U-Bahn-Station: "Np Departure Track!"

kaufhaus-oesterreich.at

Lesezeit: 3 Min.

Ein neues staatliches Webverzeichnis namens "Kaufhaus Österreich" soll Verbraucher zu österreichischen Webshops leiten. Betreiber sind das Bundesministerium für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort sowie die Wirtschaftskammer Österreich. Programmiert hat die Webseite das staatliche Bundesrechenzentrum Land-, forst- und wasserwirtschaftliche Rechenzentrum für 627.000 Euro. Am vergangenen "Cyber Monday" ist die Webseite online gegangen, seit Mittwoch läuft eine landesweite Werbekampagne.

Die öffentlichen Betreiber bezeichnen das Kaufhaus Österreich als "qualitätsgesicherte Basisinfrastruktur für Online-Shops". Erklärtes Ziel ist, "einen Beitrag zur Stärkung von E-Commerce in Österreich zu leisten". Digitalisierungsministerin Margarete Schramböck (ÖVP) möchte damit Bürger dazu bewegen, weniger bei ausländischen Konzernen wie Amazon und mehr bei regionalen Betrieben zu bestellen.

Einträge sind gebührenfrei; etwa tausend Unternehmer im 17 Kategorien sowie neun weitere Plattformen sind derzeit gelistet. Was sie konkret anbieten, muss man allerdings auf deren jeweiligen Webseiten in Erfahrung bringen, da das Kaufhaus Österreich keine Warenlisten bereithält. Manche Links führen zu Amazon-Shops. Neben dem Verbraucherbereich hält das Kaufhaus Österreich auch ein "Wissensangebot" für Unternehmen bereit, die sich online noch nicht zurechtgefunden haben.

Die Reaktionen österreichischer Experten wie User hätten kaum schlechter ausfallen können. Die Bandbreite reicht von Kritik an fehlender Beachtung von Datenschutzbestimmungen über Fremdschämen für ein Webverzeichnis das vor 25 Jahren hübsch gewesen wäre bis zum Entsetzen über die Kosten. Weil Konsumenten nicht nach Produkten, sondern nur nach wenig intuitiven Kategorien suchen können, bleibt ihnen im Wesentlichen eine Anwendung: Bei Eingabe des Namens eines bereits bekannten Händlers wird ein passender Link angeboten – sofern sich der Händler zuvor registriert hatte.

Wer etwa nach "Chromebook" oder "Fernrohr" sucht, findet im Kaufhaus Österreich nichts. Die Suche nach "Squash" zeitigt einen einzigen Webshop. Er bietet Software für Tennisvereine, Squashclubs und Kegelbahnen. Außerdem wird die Kategorie "Sport- und Freizeitartikel" angeboten. Dahinter verbirgt sich ein Sammelsurium von Geschäften, die von Alpakas über Delikatessen bis Strickbedarf ein breites Spektrum abdecken. Wer "Staubsauger" sucht, wird auf die Kategorie "Bauen, Garten und Haushalt" verwiesen, welche vom Kosmetik-Strukturvertrieb über Grillsysteme bis zum Goldfischbedarf reicht.

Durchaus vorgesehen ist die Suche nach Orten, auch wenn das der Idee des Onlinehandels zuwiderlaufen mag. Die testweise Eingabe von "Oberwart", der drittgrößten Stadt des Burgenlandes, fördert im Kaufhaus Österreich genau ein Ergebnis zutage: Eine belgische Textilienkette, die in Oberwart eine derzeit geschlossene Filiale unterhält.

Der verlinkte Webshop hat geöffnet, wird allerdings von einer Firma mit Sitz in der Schweiz betrieben, unter Aufsicht der Bezirksregierung Düsseldorf. Produkte Made in Austria sucht man dort vergeblich.

Korrekturhinweis: Das Kaufhaus Österreich wurde nicht vom Bundesrechenzentrum sondern vom Land-, forst- und wasserwirtschaftlichen Rechenzentrum (LFRZ) der Republik Österreich programmiert.

(ds)