Forscher senden Bilder direkt ins Gehirn

Mit Stimulation des visuellen Kortex konnten Wissenschaftler einfache Bilder im Gehirn von Affen erzeugen – vielleicht ein Durchbruch für künftige Sehprothesen.

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Die Wisschenschaftler haben im Hirn der Affen mittels hunderter Elektroden den visuellen Eindruck von Mustern erzeugt.

(Bild: Het Nederlands Herseninstituut)

Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Hans-Arthur Marsiske

Einem niederländisch-spanischen Forschungsteam ist es gelungen, durch gezielte Stimulierung des Gehirns visuelle Wahrnehmungen konkreter Muster wie Buchstaben auszulösen. Dabei machen sich die Wissenschaftler sogenannte Phosphene zunutze, das sind visuelle Wahrnehmungen, die nicht durch äußere Lichtreize hervorgerufen werden. Das passiert etwa durch Druck auf den Augapfel oder durch Vorgänge im Gehirn selbst, zum Beispiel bei Migräneanfällen.

Die Idee, durch elektrische Erzeugung von Phosphenen blinden Menschen wieder zu Sehkraft zu verhelfen, wird schon seit mehreren Jahrzehnten verfolgt. Die meisten Experimente haben sich aber bisher auf einzelne Lichtpunkte konzentriert. Bei der von Pieter R. Roelfsema (Netherlands Institute for Neuroscience) geleiteten Studie, die in der aktuellen Ausgabe des Wissenschaftsmagazins Science vorgestellt wird, kam nun erstmals ein Chip mit 1024 Elektroden zum Einsatz, mit denen eine Art Pixelmatrix erzeugt werden kann.

Der Chip wurde zwei Makaken in den visuellen Cortex implantiert, wobei die meisten Elektroden in den primären visuellen Cortex V1 führten, wo die vom Sehnerv übermittelten Signale vorverarbeitet werden. Einige Elektroden waren zudem mit dem visuellen Cortex V4 verbunden, um die Wirkungen der Stimulierung in höheren Hirnschichten zu erfassen. Auf diese Weise konnte das System so kalibriert werden, dass die Stromstöße die richtige Stärke hatten, um einzelne Nervenzellen zu aktivieren, ohne benachbarte Zellen zu beeinträchtigen.

Die Makaken waren vorher trainiert worden, auf visuelle Reize wie sich bewegende Punkte oder Buchstaben mit Augenbewegungen zu reagieren. Diese Reaktionen erfolgten auch, wenn die Reize nicht visuell, sondern durch direkte Hirnstimulation präsentiert wurden. Roelfsema vergleicht das System mit einer aus LEDs bestehenden Anzeigetafel, auf der kurze Texte oder einfache Symbole wiedergegeben werden können. "Die Anzahl der Elektroden, die wir im visuellen Cortex implantiert haben, und die Zahl der künstlichen Pixel, die wir erzeugen können, um hoch aufgelöste künstliche Bilder zu produzieren, ist beispiellos", sagt Roelfsema. Xing Chen, erste Autorin der Studie, ergänzt: "Zukünftig könnte die Technologie genutzt werden, um blinden Menschen, deren Netzhaut, Auge oder Sehnerv geschädigt wurde, wieder einfaches Sehen zu ermöglichen, sofern deren visueller Cortex noch intakt ist."

In einem kommentierenden Artikel weisen Michael S. Beauchamp und Daniel Yoshor (University of Pennsylvania) darauf hin, dass die Stimulierung des primären visuellen Cortex V1 nur sehr einfache Lichtblitze erzeugt. Erst die höheren Hirnregionen könnten auch Farben und komplexere Muster verarbeiten. Es sei daher faszinierend, darüber zu spekulieren, ob die gleichzeitige Stimulierung von V1 und V4 ein natürlicheres Sehen ermöglichen könnte.

Nach den "Fehlstarts der letzten Jahrzehnte" sehe die Zukunft für kortikale Sehprothesen jedenfalls rosiger aus, schreiben sie: "Chen et. al. haben für solche Prothesen neue Maßstäbe gesetzt, indem sie gezeigt haben, dass 1000 Elektroden für die Wahrnehmung von Buchstaben, Orientierungen und Bewegungen ausreichen. Fortschritte bei drahtloser Stimulation, der Herstellung hoch verdichteter Elektroden und Stimulationsalgorithmen nähren die Hoffnung, dass neue Geräte blinden Menschen nützliche visuelle Funktionen bieten können."

(vbr)