Portugal zieht die "Notbremse" in der dritten Corona-Welle

Parlament in Lissabon. Foto: Rakf Streck

Lockdown für 30 Tage. Präsidentschaftswahlen sollen aber am 24. Januar stattfinden

Portugal, das seit dem Jahreswechsel die EU-Ratspräsidentschaft hat, registriert nun so viele Corona-Tote innerhalb von 24 Stunden wie noch nie seit Beginn der Pandemie. Mit 156 ist sogar noch ein Mensch mehr am Coronavirus als am Vortag gestorben, teilten die Gesundheitsbehörden am Mittwoch in Lissabon mit. Damit sind inzwischen 8.236 Todesopfer zu beklagen.

Dramatisch ist vor allem, dass die Zahl der Neuinfektionen steil ansteigt. Wurden am Vortag 7.259 Infektionen gezählt, waren es am Mittwoch schon 10.556. Die Zahl der Infizierten gibt vor, wie viele Menschen in einer Woche in Krankenhäuser eingeliefert werden und in zwei Wochen sterben. "Die nächsten Tage werden sehr hart sein", sagte Gesundheitsministerin Marta Temido schon vor einigen Tagen. Die zuvor höchste Infektionszahl war in dem 10,3-Millionen-Einwohner-Land am 31. Dezember mit 7.627 verzeichnet worden.

Mit den schlechten Zahlen in den letzten Tagen war abzusehen, dass die Regierung unter dem Sozialisten António Costa das Land erneut in einen harten Lockdown schicken würde. Das hat sich nun bestätigt. Ab Freitag ist die Arbeit von zu Hause aus Pflicht, wo immer das möglich ist, erklärte Costa. Der Lockdown ist ganz ähnlich wie der im Frühjahr, die Menschen dürfen ab Freitag das Haus nur noch aus dringendem Anlass wie etwa zum Einkaufen, für den Weg zur Arbeit oder für Arztbesuche verlassen. Der große Unterschied ist aber, dass die Schulen geöffnet bleiben. "Die Regel ist ganz einfach: Wir sollten alle zu Hause bleiben."

Dass in zwei Wochen überprüft werden muss, hängt damit zusammen, dass das Parlament am frühen Mittwoch die Verlängerung des Ausnahmezustands vorerst nur bis Ende des Monats mit großer Mehrheit veröffentlicht hat. Hierbei musste Costa aber auf die Stimmen von Rechtsparteien ausweichen, da der Linksblock sich enthielt und die Kommunisten mit Nein stimmten.

Der Lockdown geht nun weit über die selektiven Maßnahmen hinaus, die in der zweiten Welle im Juli angewendet wurden, mit denen das Land die Infektionszahlen wieder schnell in den Griff bekam. Durch die erste Welle war das Land mit seinen Maßnahmen sehr gut gekommen.

Dafür war auch das Verhalten der Bevölkerung entscheidend. Viele Menschen hatten ihre Sozialkontakte schon massiv reduziert und auch die Kinder nicht mehr in die Schule geschickt, bevor die Regierung den Lockdown und Schulschließungen angeordnet hatte.

Obwohl sich Portugal im Wahlkampf befindet, um am 24. Januar einen neuen Präsidenten zu wählen, wird die Linksregierung das Land wieder in einen harten Lockdown schicken. Schon am frühen Mittwoch hat das Parlament die Verlängerung des Ausnahmezustands bis zum 30. Januar beschlossen, damit ist aber unklar, ob nun ein Lockdown beschlossen werden kann, der über das Datum hinausgeht.

Dem Ausnahmezustand bis zum Monatsende hat Präsident Marcelo Rebelo de Sousa schon zugestimmt. Er habe das "sehr dringende und präzise Ziel", die beschleunigte Ausbreitung des Virus einzudämmen und die Kurve wieder zu knicken. Es handele sich um eine "Notbremse", um zu verhindern, dass die Lage außer Kontrolle gerät.

Das schwache Gesundheitssystem in dem armen Land würde schnell kollabieren, wenn die Infektionszahlen steigen. Klar ist, dass die aggressivere britische Mutation des Virus schon im Land ist. 72 Fälle wurden schon in dem Land bestätigt, das bei Briten sehr beliebt ist.

Für eine Verschiebung der Präsidentschaftswahlen, über die auch diskutiert wird, habe das Parlament keine Handhabe, erklärte der Staatspräsident in der Fernsehdebatte mit den übrigen sechs Kandidaten am späten Dienstag. Rebelo de Sousa war nur per Videokonferenz zugeschaltet, da noch immer nicht definitiv geklärt ist, ob er sich über einen Mitarbeiter auch mit dem Coronavirus infiziert hat.

Der volksnahe Präsident vom linken Flügel der konservativen PSD beherrschte auch aus seinem Haus in Cascais die Debatte. Er wird mit größter Wahrscheinlichkeit schon im ersten Wahlgang mit deutlicher Mehrheit bestätigt.

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