Buchbesprechung: Not All Fairy Tales Have Happy Endings

Die Spiele von Sierra On-Line prägten Generationen. Mit seinem Buch gewährt nun einer der Gründer, Ken Williams, exklusive Einblicke hinter die Kulissen.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 13 Kommentare lesen
Not All Fairy Tales Have Happy Endings

(Bild: Ken Williams)

Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Michael Keller
Inhaltsverzeichnis
Buchbesprechung:

Ken Williams
Not All Fairy Tales Have Happy Endings – The rise and fall of Sierra On-Line
Lulu.com 2020
408 Seiten, 34,99 US-Dollar (Taschenbuch), 7,75 US-Dollar (EPUB)
ISBN: 979-1716727367

Die 80er und 90er des letzten Jahrhunderts waren für Fans von Computerspielen eine spannende Zeit. Pionierleistungen in Hard- und Software eroberten ständig Neuland – vor dem Heim- oder frühen Personal Computer gab es viel zu staunen. Zahlreiche Unternehmen prägten diese Zeit, viele davon existieren inzwischen nicht mehr. So auch die US-Firma On-Line Systems, die ihren Namen kurz nach Gründung in Sierra On-Line änderte.

Spätestens bei diesem Namen dürften passionierte Spielerinnen und Spieler aus dieser frühen Phase der Computerspielegeschichte aufhorchen. Wer mittendrin statt nur dabei war, kennt die von Sierra On-Line für diverse Computersysteme veröffentlichten Spiele. Viele davon unvergessene Hits, die als Serien über Jahre hinweg fortgesetzt wurden. Beispiele gefällig? Die "King's Quest"-Reihe, oder "Leisure Suit Larry", oder "Quest for Glory" und viele mehr. Sierra On-Line war überaus produktiv und dabei sehr erfolgreich. Eine seltene Kombination. Das zeigen nicht nur die Spielebewertungen von damals, sondern auch die Unternehmenszahlen.

Not All Fairy Tales Have Happy Endings

(Bild: Ken Williams )

Was hinter den Kulissen geschah, blieb den meisten Spielern damals verborgen. Nicht nur weil das Internet in der Form, in der wir es heute kennen und nutzen, noch gar nicht bekannt und geformt war. Über die Hintergründe kann man sich als interessierter Leser nun aber informieren, denn inzwischen ist das Buch "Not All Fairy Tales Have Happy Endings" in englischer Sprache verfügbar. Die 408 Seiten hat niemand Geringeres als Ken Williams geschrieben, der zusammen mit seiner Frau Roberta das Unternehmen gründete und lange Zeit führte. Informationen und Details kommen also aus erster Hand.

Eins vorweg: Das Buch beschäftigt sich weniger mit den Spielen, die das Unternehmen bekannt gemacht haben, dafür aber mit seiner Historie. Darüber hinaus, und das ist das eigentlich Wertvolle an dem Buch, mit den Erfahrungen und Ratschlägen des Autors. Deswegen sollte man das Buch auch stets aus zwei Blickwinkeln lesen: Als Unternehmensgeschichte und als Ratgeber. Die Geschichte ist vergangen, aber schön und interessant zu lesen (Spoiler: Jeff Bezos, Steve Wozniak und Steve Jobs kommen vor). Als Ratgeber, aufbauend auf den Erfahrungen von Ken, bleibt das Buch allerdings zeitlos aktuell.

Dankenswerterweise spendiert der Autor eine Aufteilung: Geschichte und Ratgeber bilden eigene Kapitel. Man kann das Buch also gut als Firmengeschichte ohne die Empfehlungen lesen – oder auch umgekehrt. Jedoch erschließt sich nur durch die Lektüre aller Kapitel der Gesamtzusammenhang. Insbesondere auch Kens Empfehlungen. Die basieren auf seinen Erfahrungen und sind erst im Kontext leichter zu verstehen.

Ein Beispiel: Immer die komplizierten Dinge zuerst erledigen, weil sie viel Aufwand und damit die meiste Zeit benötigen. Das geht in Richtung des Paretoprinzips, der sogenannten 80-zu-20-Regel. Demnach lassen sich 80 Prozent des Gesamtergebnisses mit 20 Prozent des Gesamtaufwands erreichen. Für den verbleibenden Rest benötigt man jedoch vier Fünftel des Gesamtaufwands. Das galt früher und gilt auch heute noch, wie die meisten Entwicklerinnen und Entwickler aus eigener Erfahrung bestätigten dürften. Eine grundsätzliche Regel also, die man angehenden Softwareentwicklern mit auf den Weg geben sollte – am besten anhand praktischer Beispiele. Ein weiteres Kapitel widmet sich der Unternehmensleitung und Vermarktung. Es bietet vor allem interdisziplinär arbeitenden Entwicklern oder jenen mit Führungsaufgaben interessante Ratschläge für die Umsetzung in der Praxis.

Wer übrigens die Unternehmensgeschichte aufmerksam liest, merkt schnell, dass der Erfolg von Sierra On-Line keinesfalls vorprogrammiert war, sondern der harten Arbeit der Gründer zu verdanken war. Sicherlich war auch Glück im Spiel. Nicht zu vergessen: der Fleiß und die Kreativität der Mitarbeiter. Dennoch stand Sierra On-Line immer wieder am Randes des Scheiterns.

Ebenfalls ein wichtiger Hinweis: Das Buch beschreibt primär Kens Erlebnisse und Einsichten. Der Blickwinkel seiner Frau Roberta kommt nur dann zum Tragen, wenn er für die Geschichte notwendig ist. Das geht in Ordnung, da Ken Williams der Autor ist. Für ein Buch von Roberta Williams zum selben Thema bliebe zudem noch genügend Platz.

Prädestiniert sind Leser, die unzählige Stunden mit einem oder mehreren Spielen von Sierra On-Line vor dem Monitor verbracht haben. Das Buch ist aber grundsätzlich auch für alle Fans von "Edutainment" interessant, weil es unterhaltsam und lehrreich zugleich ist. Darüber hinaus kann man auf YouTube in die vielen Spielewelten von damals abtauchen und sich beispielsweise die Evolution der Benutzerführung über die zahlreichen Adventure-Titel hinweg ansehen. Das ist nicht nur für angehende Spieleentwickler ein interessantes Thema – ebenso wie die Geschichten der Spiele selbst. Dann wäre da noch eine Zielgruppe: Angehende Firmengründer können über das Auf und Ab eines Unternehmens sicherlich einiges lernen.

Gründe gibt es also genug, das Buch zu lesen und es als Ausgangspunkt für weitere Recherchen in verschiedenste Richtungen zu nutzen. Viel Spaß dabei!

Michael Keller

arbeitet als Softwareentwickler mit der Programmiersprache ABAP im Logistikumfeld von SAP-ERP-Systemen. Darüber hinaus beschäftigt er sich auch in seiner Freizeit mit dieser Sprache, ist als Blogger in der SAP-Community und als Dozent an einer Fachhochschule tätig.

(map)