Mobilfunknetze: Bund und Branche setzen auf Open RAN

Mit offenen Standards und mehr Wettbewerb sollen Handynetze günstiger werden. Die Bundesregierung wittert Chancen für die Wirtschaft und fördert kräftig mit.

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Detail der Open-RAN-Installation von Telefónica in Landsberg.

(Bild: Telefónica Deutschland/Henning Kroepcke)

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Die Bundesregierung fördert die Weiterentwicklung des offenen Mobilfunkstandards Open RAN (Open Radio Access Network) im Rahmen des im vergangenen Sommer beschlossenen Corona-Konjunkturpakets mit rund 2 Milliarden Euro. Medienberichten zufolge sollen die Fördermittel nun von vier Ministerien verteilt werden.

Demnach stellt das Forschungsministerium 635 Millionen Euro bereit, das Verkehrsministerium 625 Millionen, das Wirtschaftsministerium 590 Millionen und das Innenministerium 150 Millionen. Zunächst seien 15 Projekte für die Förderung vorgesehen, berichtet das Handelsblatt.

Netzbetreiber sehen in Open RAN eine Chance, sich vom Oligopol der Netzausrüster unabhängiger zu machen und mehr Flexibilität beim Netzausbau zu bekommen. Beim Aufbau eines Mobilfunknetzes kommt man an den großen Ausrüstern Huawei, Ericsson, Nokia und ZTE nicht vorbei, die von der Antenne bis ins Kernnetz proprietäre Technik verkaufen.

Mit der zunehmenden Skepsis der Regierungen gegenüber chinesischen Ausrüstern droht diese Auswahl künftig noch kleiner zu werden. Auch deshalb treiben die Netzbetreiber die Entwicklung von Open RAN in der von ihnen gegründeten O-RAN-Alliance voran. Parallel wird im Telecom Infra Project (TIP) mit zahlreichen Hardwareherstellern an Open RAN gearbeitet.

Open RAN verspricht, zumindest Teile der bisher von proprietärer Hardware ausgeführten Funktionen als Software zu virtualisieren und auf Standardhardware auszuführen. So kann etwa der Teil einer herkömmlichen Basisstation, der die von der Antenne kommenden Signale weiterverarbeitet und ins Kernnetz weiterleitet, mit Open RAN virtualisiert werden. Im Mobilfunk beginnt damit eine Entwicklung, die im Festnetzbereich schon weit fortgeschritten ist.

Netzbetreiber sehen in einem offenen Standard mit definierten Schnittstellen unter anderem den Vorteil, dass sie konfektionierte Lösungen von verschiedenen Anbietern einsetzen können. In der Regel lassen sich virtualisierte Netzkomponenten auch schneller in Betrieb nehmen und aktualisieren. "Wir werden neue Dienste und Services deutlich schneller ins Netz integrieren können", sagt Telefónica-CTO Mallik Rao.

Allerdings müssen Komponenten von verschiedenen Herstellern auch erstmal aufeinander abgestimmt und in ein laufendes Netz mit proprietärer Hardware integriert werden. Das ist viel Arbeit für die Netzbetreiber, die sonst die Ausrüster machen. Doch sind die Unternehmen dazu bereit, weil für sie die Vorteile von Open RAN überwiegen.

Auch dürfte mehr Wettbewerb der Branche guttun. "Open RAN könnte auch den Wettbewerb um die beste Technik in den Mobilfunk-Stationen stärken", sagt Vodafone-Chef Hannes Ametsreiter. Während sich die Netzbetreiber von mehr Wettbewerb auch einen Kostenvorteil versprechen, sieht die Bundesregierung vor allem eine Chance, dass auch deutsche Unternehmen wieder einen Fuß in die Tür bekommen. Das soll nun gefördert werden.

Noch ist Open RAN nicht soweit, dass es auf breiter Front in einem großen Mobilfunknetz eingesetzt werden kann. Die Entwicklung ist noch nicht für alle Funkstandards und Frequenzen ausgereift. "Open RAN steckt noch in den Kinderschuhen", fasst Ametsreiter zusammen. Telefónica-CEO Markus Haas schätzt, dass der Standard etwa ab 2025 reif für den Produktiveinsatz ist. Doch erste Experimente gibt es schon.

Telefónica Deutschland setzt Open RAN mit Software von Altiostar an ersten O2-Antennenstandorten im bayerischen Landsberg im LTE-Livebetrieb ein. Dabei kommt unter anderen Hardware von Dell, Intel, Supermicro und Xilinx zum Einsatz; als Systemintegrator ist der japanische NEC-Konzern an Bord. Ab Herbst will der Netzbetreiber Open RAN in größerem Umfang im O2-Netz an rund 1000 Antennenstandorten einsetzen.

Auch die Telekom hat Pläne. Im Laufe des Jahres soll Neubrandenburg als Modellstadt für Open RAN ausgebaut werden. Die Telekom möchte die Kleinstadt in Mecklenburg-Vorpommern zur "O-RAN-City" machen, sagt Telekom-Technikchefin Claudia Nemat. Dabei ist auch Nokia mit an Bord. Die klassischen Ausrüster mögen zwar nicht begeistert davon sein, dass sie mit Open RAN einen Teil ihres Geschäfts verlieren, aber sie werden den Weg mitgehen müssen.

(vbr)