Mehr Gewaltschutz für Gerichtsvollzieher

Gesetzentwurf: Bundesregierung sorgt sich bei Zwangsräumungen und Pfändungen um ausführendes Personal. Schuldnerberatung will Konflikte im Vorfeld entschärfen

Gerichtsvollzieher treffen naturgemäß oft Menschen, die nur noch wenig zu verlieren haben und sich in einer "psychischen Ausnahmesituation" befinden - wie beispielsweise die 65jährige Frau aus Coburg, die am Dienstag nach Berichten regionaler Medien und der Polizei in die Psychiatrie eingewiesen wurde. Die Rentnerin habe weder einen Gerichtsvollzieher noch Polizisten in ihr Appartement lassen wollen und sich "mit mehreren Messern" bewaffnet, hieß es. Beamte hätten sie aber in einem längeren Gespräch überzeugen können, die Messer beiseite zu legen und die Wohnung zu verlassen.

Während Forderungen nach einer bundesweiten Aussetzung von Zwangsräumungen in diesem "Coronawinter" bisher ins Leere laufen, will die Bundesregierung das ausführende Personal besser vor Wutausbrüchen schützen.

Zu diesem Zweck hat die große Koalition einen Gesetzentwurf "zur Verbesserung des Schutzes von Gerichtsvollzieherinnen und Gerichtsvollziehern vor Gewalt sowie zur Änderung weiterer zwangsvollstreckungsrechtlicher Vorschriften" auf den Weg gebracht, der am Mittwoch vom Bundesjustizministerium unter Christine Lambrecht (SPD) veröffentlicht wurde.

Auslöser "heftigen Widerstands"

"Gerichtsvollzieher sind vermehrt in der Situation, dass sich Vollstreckungsschuldner Zwangsvollstreckungsmaßnahmen widersetzen", heißt es in einer dazu eingeholten Stellungnahme des DBB Beamtenbund und Tarifunion vom 14. Dezember. "Insbesondere schwerwiegende Eingriffe, wie zum Beispiel Räumungen, Verhaftungen oder Vorführungen können heftigen Widerstand auslösen."

Im Weser-Kurier beklagte unlängst ein Gerichtsvollzieher aus Bremen, sein Berufsstand werde "in einen Topf geworfen mit bestimmten Akteuren der Immobilienwirtschaft", gegen die es auch schon Anschläge gegeben habe. Neulich sei "ein Kollege bei einer Zwangsräumung fotografiert worden, das Bild tauchte wenig später auf einer linksextremen Internetseite auf".

Als behördliches Defizit hat das Bundesjustizministerium ausgemacht, "dass zwar in vielen Fällen im Vorfeld der Vollstreckungshandlung polizeiliche Erkenntnisse über eine bestehende Gefahr vorgelegen haben, Gerichtsvollzieherinnen und Gerichtsvollzieher hierüber jedoch nicht informiert waren". Ziel des neuen Gesetzes sei es, ihnen die Einschätzung zu erleichtern, ob polizeiliche Unterstützung nötig ist. Zugleich sollten die rechtlichen Möglichkeiten für Gerichtsvollzieherinnen und Gerichtsvollzieher, polizeiliche Unterstützung anzufordern, erweitert werden.

Finanzierungslücken bei Beratung

Auch die Bundesarbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung e.V. (BAG-SB) sowie andere Fach- und Berufsverbände haben Stellungnahmen zu dem Gesetzentwurf abgegeben. Die BAG-SB kritisiert jedoch nicht den Gewaltschutzteil, sondern merkt dazu an, wie aus ihrer Sicht frühzeitig Konflikte entschärft werden könnten - durch eine flächendeckende Finanzierung der Beratungsstellen und verbesserten Zugang für "diejenigen Schuldner, die aus Unkenntnis oder Überforderung eine Gefahr für die Gerichtsvollzieher darstellen".

Abgelehnt wird in der Stellungnahme die geplante „Änderung weiterer zwangsvollstreckungsrechtlicher Vorschriften". Darin geht es um die Auskunftsrechte des Gerichtsvollziehers und die geplante Erleichterung der Voraussetzungen zur Einholung von Drittauskünften gemäß Paragraph 802 l der Zivilprozessordnung. Hierfür soll laut Regierungsentwurf in Zukunft schon das einmalige Nichterscheinen zu einem Termin zur Abgabe der Vermögensauskunft reichen. Dafür könne es aber vielfältige Gründe geben, argumentiert die Schuldnerberatung. Beispielsweise fehlerhafte Postzustellungen, Erkrankung - oder eben Überforderung.