An die Opponenten der Frauen- und Gender-Bewegung, die es betrifft

Antwort auf das Leserecho auf meine Artikelreihe "Von der Frauenfrage zum Gender Trouble"

Wie schon beim Thema "Willkommenskultur" möchte ich auf eine Reihe von Forenbeiträgen eingehen, bei denen mir eine Antwort erforderlich erscheint. Um Nachsicht bitte ich die Foristen, die meine Ausführungen argumentativ angehen, aber zusammen mit den wenigen, die mich in den Threads unterstützen, von mir kein eigenes Feedback bekommen. An dieser Stelle wenigstens mein Dank.

"Gender Pay Gap"

Im ersten Artikel der Serie, wo es um die Sache, also um Frau und Mann unter dem Regime von Marktwirtschaft und Staat ging, hat vor allem das Stichwort "Gender Pay Gap" größere Reaktionen hervorgerufen. Dabei gibt es zwei Richtungen. Die eine sucht zurückzuweisen, dass es eine solche Einkommensdifferenz überhaupt gibt. Die andere will begründen, warum sie in Ordnung geht bzw. die Frauen sich die Unterschiede selbst zuzuschreiben haben.

Ein Forist namens Kommentar (1) brachte sogar beide Sichtweisen in einem Post unter: "Dass die Alleinerziehende billig zu entlohnen sei, ist die reine Fantasie des Autors. Eine Freundin meiner Frau ist mit zwei Kindern alleinerziehend (…) als angestellte Ärztin (…) alles andere als 'billig' entlohnt."

Er schloss dann unmittelbar ein zweites Beispiel an, das der bezweckten Aussage seines ersten widerspricht und eher in Richtung meiner "Fantasie" geht:

"Wer es nur bis an die Fleischtheke bei REWE oder in den Friseursalon geschafft hat, sollte sich den Vater der geplanten Kinder besonders genau aussuchen oder nicht wegen jeder Lappalie die Scheidung einreichen."

Dabei hatte ich gar keine ungerechte Behandlung von Frauen durch Männer beklagt, sondern einen polit-ökonomischen Grund angegeben:

"Der 'Gender Pay Gap', den auch weibliche Personalchefs mitverantworten, kommt (…) ungefähr daher, wo auch die Zahlungslücke herrührt, die den meist männlichen Paketzustellern oder den Angestellten von Schlachtbetrieben im Vergleich zum Durchschnittslohn widerfährt. (…) Mit den Löhnen bezahlen private wie öffentliche Arbeitgeber die Kosten, die erforderlich sind, um das benötigte Arbeitsvermögen in entsprechender Menge anzuheuern."

Schuldfragen

Ich musste tatsächlich einige Zeit darüber nachdenken, warum in den Kommentaren so zielsicher an dieser Aussage vorbeigeschossen wurde. Gerechtfertigt wurde das Gehaltsgefälle z.B. so:

"Die ganze angebliche Frauenbenachteiligung basiert einzig und allein auf der Tatsache, dass Frauen im beruflichen Wettbewerb in der Regel nicht mit Männern mithalten können, (…) weil der Mann in Millionen Jahren Evolution auf Konkurrenz, Kampf, Fokussierung und Wettbewerb gepolt wurde." (Pixelpusher)

"Natürliches Konkurrenzverhalten der Männer, (…) Revierkampf und Beute sind die Konstanten, die gab es auch schon im wirklichen Steinzeitkapitalismus." (Ramjet)

Ob beiden Foristen entgangen ist, dass heute keine Mammuts mehr gejagt und im Forum lauter Berufsbeispiele angeführt werden, wo Frauen gleichgezogen und überholt haben?

"Bevor es jetzt wieder heißt, die Männer sind schuld (…), dann sind Frauen auch selbst daran schuld, wenn die sich lieber um Familie kümmern, Schwafel-Fächer studieren, mehr Work-Life-Balance wollen oder einfach schlechter verhandeln, wenn's ums Gehalt geht." (Machiavelli)

"Viele Frauen (schaffen es) gar nicht (…) in eine erste Position mit Personalverantwortung, weil (…) ihnen Familie und Freizeit und in manchen Fällen auch Lachyoga und die feministische Lesung im lila Kaffeehaus eben wichtiger (sind)." (/Rak)

Beiden Foristen läge es fern, den Gründen für die unterschiedliche Berufswahl oder die spezifische Teilung der Familienarbeit nachzugehen. Die Sammlung gängiger Bilder vom "schwachen Geschlecht" soll erklärtermaßen einer verspürten Schuldzuweisung Kontra geben.

Auch die Argumente, mit denen eine Benachteiligung von Frauen bestritten bzw. relativiert wird, dienen offenbar diesem Zweck. Zweckpessimist führt eine weitere "weibliche Schwäche" an:

"Dass in einer Gesellschaft, die jedes Jahr Hunderte von Milliarden Euro von Männern an Frauen umverteilt (…), immer noch behauptet wird, die Frauen seien benachteiligt, lässt sich wohl nur mit der Veranlagung zu 'immer mehr' des weiblichen Geschlechts erklären."

Dann belegt er seine Theorie mit einem alten Märchen - "Vom Fischer und sin Fru".

Gunker bleibt bei der gegenwärtigen Berufswelt: "Frauen werden viel besser bezahlt als Männer, also die (…) ganzen weiblichen Pseudopolitikerinnen verdienen alle viel mehr als männliche Müllfahrer, das ist Gender Pay Gap!", lässt aber unklar, ob er die Lücke durch die Bezahlung der Müllfahrer nach Tarif für Parlamentarier oder umgekehrt schließen will.

Zimmet "freu(t) (s)ich bereits auf Schusters Artikel über den 'Sex Pension Gap', in dem er darlegt, dass Frauen (…) ein Drittel länger Rente beziehen (…), warum 80 Prozent der Obdachlosen Männer sind, warum drei Viertel der Selbstmorde von Männern verübt werden". Tsu Tang fügt an, Frauen hätten nur einen "Bruchteil der Unfälle am Arbeitsplatz" und seien "viel seltener Opfer von Gewaltverbrechen".

"Kollektiv Mann"

Diese offenbar konkurrenzgetriebene Rechenweise warf für mich die meisten Fragen auf. Soll sie heißen, die Frauen an der Fleischtheke bei REWE müssten mit 20 Prozent weniger Gehalt zufrieden sein, weil 80 Prozent der Obdachlosen männlich sind? Lässt sich mit einer statistischen Rentenlücke von einem Drittel das weibliche Rentenalter deshalb bestreiten, weil es auch ein Drittel länger anhält als das männliche? Wäre es umgekehrt gut oder besser für die Männer, wenn auf die Frauen die Hälfte der Arbeitsunfälle und Suizide entfiele?

Was wollen uns die beiden Foristen mit ihren Vergleichen also sagen? Meine Vermutung ist diese: Sie und die anderen Zitierten machen auf ihre Weise den gleichen Fehler wie der Feminismus und betrachten sich nicht nach ihrer tatsächlichen, oft bescheidenen und mitunter gegensätzlichen sozialen Stellung unter dem Regime von Marktwirtschaft und Staat.

Sie ordnen sich vielmehr - analog zu "Frau" - einem abgehobenen "Kollektiv Mann" zu, das sie durch frauenbewegte Themen und Forderungen herausgefordert und sogar in seiner Ehre verletzt sehen. Dafür spricht jedenfalls die beleidigende Wortwahl gegen die "andere Seite", die sich zu viel herausnehme.

Sie sehen sich also in einer moralischen Gegenoffensive - und das entsprechende Sammelsurium ihrer ungereimten, voneinander abweichenden oder sich widersprechenden Argumente hat darin seine Übereinstimmung.

Im unbehaglichen Verhältnis der Geschlechter - einem Werk der marktwirtschaftlichen Ordnung - bestehen sie auf einem Abstandsgebot, unter dem das Verhältnis und die Ordnung bleiben können, wie sie sind. Ob das beide gemütlicher macht?