Japanischer Baukonzern entwickelt nachhaltigen Stahlbeton

Der neue Werkstoff von Taisei bindet mehr CO2 als er bei der Produktion erzeugt. Doch die Dekarbonisierung der Industrie steht noch am Anfang.

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Uve Sanchez / Unsplash

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Von
  • Martin Kölling
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Die globale Zementindustrie ist bisher einer der größten Emittenten von Treibhausgasen. Der japanische Baukonzern Taisei hat nun einen Beton vorgestellt, der den Klimawandel bremsen und nicht beschleunigen soll. "T-eConcrete / Carbon-Recycle" nennen die Entwickler ihr Verfahren, bei dem Kohlendioxid aus zum Beispiel Kraftwerken in Beton wiederverwendet und damit die CO2-Bilanz des Betons ins Negative gedrückt wird.

Die Zahlen sind vielversprechend. Laut Taisei werden bei der Produktion von einem Kubikmeter Beton normalerweise zwischen 250 bis 330 Kilogramm des Treibhausgases frei. Doch mit der neuen Methode können nun für die gleiche Menge Beton 55 Kilogramm Kohlendioxid gebunden werden – und dies dauerhaft. Gleichzeitig wird Hochofenschlacke verwendet, ein Nebenprodukt der Stahlproduktion.

Post aus Japan

Japan probiert mit Elektronik seit jeher alles Mögliche aus - und oft auch das Unmögliche. Jeden Donnerstag berichtet unser Autor Martin Kölling an dieser Stelle über die neuesten Trends aus Japan und den Nachbarstaaten.

Dafür greift Taisei das klimatische Grundübel von Beton an, die Zementproduktion. Es wird geschätzt, dass die globale Zementproduktion weltweit für acht Prozent der CO2-Emissionen verantwortlich ist. Und der Grund liegt in der Produktionsmethode. Das wichtigste Material ist Kalkstein, dem oft noch weitere Stoffe zugemischt werden. Der Rohstoff wird dann fein gemahlen und auf 1450 Grad Celsius erhitzt, um Zementklinker herzustellen, der dann wieder fein gemahlen wird. Das Problem: Bei dem Produktionsprozess wird nicht nur CO2 aus dem Kalkstein freigesetzt, sondern auch durch die Befeuerung der Öfen.

Eine bekannte Methode zur Treibhausgassenkung ist nun, den Zement durch Kalziumkarbonat zu ersetzen, das aus der Verbindung von Kalzium und Kohlendioxid hergestellt werden kann. Nur ist der damit hergestellte Beton klebriger, benötigt länger, um auszuhärten, und ist nicht so fest wie sein traditionelles Vorbild, erklären die Ingenieure von Taisei. Sie umgehen das Problem, in dem sie ein Bindemittel zusetzen, das hauptsächlich aus Hochofenschlacke besteht. Gleichzeitig wird damit die Kohlendioxidbilanz ins Minus gedrückt.

Taiseis Entwicklung ist Teil eines nationalen Projekts, Methoden zur Kohlendioxidspeicherung und -verarbeitung zu entwickeln. Eine wichtige Triebkraft der konzertierten Aktion ist, dass Japan weiterhin an fossilen Brennstoffen festhalten will. Selbst der Hoffnungsträger Wasserstoff soll vorerst aus Kohle oder Gas abgespalten anstatt durch Elektrolyse aus Wasser hergestellt werden. Um dennoch das amtliche Ziel zu erreichen, bis 2050 eine karbonneutrale Gesellschaft zu schaffen, muss das frei werdende Kohlendioxid gebunden werden – und zwar in großen Mengen.

Die Arbeitsgruppe im Bereich Zement umfasst dabei neben Taisei acht weitere Hersteller von Baumaterialien und Hoch- und Tiefbaukonzerne, die an der Dekarbonisierung anderer Baumaterialien arbeiten. Allerdings rechnet Taisei damit, dass die Methode erst 2030 wirklich marktreif sein wird. Taiseis fernes Ziel spiegelt eine Herausforderung der Bauindustrie wider. Die Decarbonisierung von Stahl und Zement sei "besonders schwierig", erklärte Microsoft-Gründer Bill Gates jüngst, der über seine Stiftung massiv in Dekarbonisierungstechnologien investiert.

Ein Grund ist für ihn der Preis. Der läge für klimafreundlichen Zement mehr als doppelt so hoch wie für die normale Ware. Yuri Mytko, Marketingchef des kanadischen Beton-Startups CarbiCrete, einem anderen Anbieter von karbonnegativem Beton, nennt eine weitere Ursache. Bei den Betonmischern, wenigstens bei denen in Nordamerika, handelt es sich um ein Heer kleiner und mittlerer Unternehmen, die oft in Familienbesitz sind, so Mytko im Gespräch. "Es braucht schlicht viel Zeit, all diese Unternehmen von den neuen Technologien zu überzeugen." Selbst für einen Medienstar wie CarbiCrete.

Die US-Wirtschaftszeitung Wall Street Journal, die Nachrichtenagentur Bloomberg und der britische Sender BBC gehören zu der langen Liste an Medien, die sich für die Verheißung der Betonpioniere interessiert haben. CarbiCrete verwendet dabei wie Taisei Schlacke von Stahlhütten, zielt aber nicht auf Stahlbeton, sondern das Gießen von Betonblöcken und -formen.

Dabei ersetzen die Kanadier den Zement durch gemahlene Schlacke, die dann mit Kohlendioxid gehärtet wird. Ein Vorteil – neben der Kohlendioxidbindung: Die Dauer der Aushärtung schrumpft mit dieser Methode von 28 Tagen auf 24 Stunden, behauptet Mytko. Der Nachteil: Die Hersteller benötigen eine spezielle Kammer, um den Beton in einer Kohlendioxidatmosphäre zu baden. Und die kostet wenigstens drei Millionen kanadische Dollar (zwei Millionen Euro) und muss zudem in die bestehenden, automatisierten Produktionsprozesse eingefügt werden.

Ein weiteres Manko: Die Technologie ist noch nicht erhältlich. CarbiCrete demonstriert für die Zertifizierung gerade in einer Versuchsanlage bei einem Kunden, dass die Technik für die Großserienproduktion taugt. Aber Mytko macht Interessenten Hoffnung, die Technik bald lizenzieren zu können. "Wenn das Projekt gut läuft, könnte unser Partner im Frühjahr der erste Kunde werden – und dann im Sommer der Verkauf von Lizenzen beginnen." Die Nutzer von Stahlbeton werden allerdings noch länger warten müssen, bis auch sie das Gefühl haben können, durch das Zubetonieren von Städten und Landwirtschaften einen Beitrag zur Klimarettung zu leisten. (bsc)