Gensequenzierung: 64 Genome sollen globale genetische Vielfalt abbilden

Ein internationales Forschungsteam hat mit Hilfe moderner Sequenzierungstechnik neue Referenzdaten erstellt, die auch personalisierte Medizin ermöglichen soll.

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(Bild: genome.gov)

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Um die genetische Vielfalt der Menschen auf der Welt besser abzubilden, haben sich 65 Forscher:innen aus verschiedenen Ländern im Human Genome Structural Variation Consortium (HGSVC) zusammengetan und 64 menschliche Genome hochauflösend sequenziert. Diesen Schritt haben sie unternommen, weil die Ergebnisse des "Human Genome Project" vor 20 Jahren nicht die gesamte Komplexität genetischer Variationen erfassten, wie die Wissenschafter:innen nun mitteilen. Die damals vorgestellte Referenz habe kein einzelnes Individuum repräsentiert, sondern sei ein Kompositum des Genoms von vielen Menschen.

Das Forschungsteam hat nun im Fachmagazin Science einen nach ihren Angaben wesentlich umfangreicheren Referenzdatensatz vorgestellt. Dieser wurde mithilfe einer Kombination aus fortschrittlicher Sequenzier- und Kartierungstechnik gewonnen. Der neue Referenzdatensatz, für die Individuen aus der ganzen Welt einbezogen wurden, spiegelt 64 assemblierte menschliche Genome wider. Sie repräsentieren 25 verschiedene menschliche Populationen.

Die Studie baut auf einer neuen Methode auf, die von der Forschungsgruppe im vergangenen Jahr in Nature Biotechnology veröffentlicht wurde. Mit dieser Technik können die beiden Komponenten des Genoms von der Mutter und des Vaters einer Person genau rekonstruiert werden. So können potenziellen Verzerrungen eliminiert werden, die sich beim Vergleich mit einem unvollkommenen Referenzgenom ergeben können.

Diese neuen Referenzdaten sollen unter anderem bevölkerungsspezifische Studien zu genetischen Prädispositionen für menschliche Krankheiten ermöglichen. Mit ihnen sollen auch komplexerer Formen genetischer Variationen entdeckt werden können. So könnten das individuelle Risiko für die Entstehung bestimmter Krankheiten wie Krebs abgeschätzt und die molekularen Mechanismen dahinter verstanden werden, um so besser vorbeugen und behandeln zu können. Es könnten neue Ansätze in der personalisierten Medizin entwickelt werden, bei denen die Auswahl von Therapien auf den individuellen genetischen Hintergrund eines Patienten zugeschnitten ist.

An dem "Human Genome Project" waren mehr als 1000 Forschende aus 40 Ländern beteiligt. Seitdem haben Wissenschaftler:innen zahlreiche Sequenzierungsprojekte durchgeführt, um genetische Unterschiede zwischen einem Individuum und dem Referenzgenom zu identifizieren und zu katalogisieren. Diese Unterschiede konzentrierten sich in der Regel auf kleine Veränderungen einzelner Basen und ließen größere genetische Veränderungen außer Acht, wie die Wissenschaftler:innen der Korbel-Gruppe am EMBL in Heidelberg, der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, des Jackson Laboratory in Farmington, Connecticut, und der Universität Washington in Seattle erläutern.

Die Referenz aus dem Human Genome Project war lückenhaft und besteht aus DNA besteht, die von ungefähr einem Dutzend unterschiedlicher Menschen zusammengemischt wurde. Und weil sie auf nur einer der Kombinationen der rund drei Milliarden Buchstaben basiert, aus denen ein menschliches Genom besteht, eignet sie sich nur bedingt als Vorlage für die Analyse des Genoms anderer Personen.

Mit aktueller Technik sei es möglich, größere Unterschiede wie Einfügungen von mehreren hundert Buchstaben zu erkennen und zu charakterisieren, schreiben nun die HGSVC-Wissenschaftler. Diese strukturellen Varianten beeinträchtigten mit höherer Wahrscheinlichkeit die Funktion von Genen, anders als die kleinen Veränderungen. Die Verteilung von genetischen Varianten könne sich durch spontane und kontinuierlich auftretende Veränderungen im Erbgut zwischen Bevölkerungsgruppen stark unterscheiden. Wenn eine solche Mutation über viele Generationen weitergegeben wird, kann sie zu einer für diese Population spezifischen genetischen Variante werden.

(anw)