Blackout-Bekämpfung in Frankreich: AKW-Laufzeitverlängerung auf 50 Jahre

Auch die Laufzeit des Kernkraftwerks Cruas, der erste Reaktorblock ist seit 1983 im Betrieb, soll verlängert werden. Bild: Yelkrokoyade/CC BY-SA 3.0

Da die Energiewende nicht vorankommt, will (muss) das Atomstromland die Laufzeit von besonders gefährlichen Uralt-Meilern verlängern

Haben die werten Leser in Deutschland, der Schweiz, Österreich oder Luxemburg schon einmal von ihrem Energieversorger oder Netzbetreiber eine E-Mail oder SMS mit der Aufforderung erhalten, den Stromverbrauch zu bestimmten Zeiten zu begrenzen? Im Atomstromland Frankreich gehört seit 2008 zum Alltag, dass die Bürger dazu auch über Radio und Fernsehen aufgefordert werden, damit es nicht zu einem Blackout im ganzen Land kommt. Der wurde am 8. Januar nur knapp verhindert, als beim Nachbar wieder einmal zum Stromsparen aufgefordert worden war.

Dass es sogar fast zu einem Blackout in ganz Europa kam, gegen den man sich nun allseits zu wappnen versucht, hing auch mit Vorgängen in Osteuropa zusammen.

Nun wiederholt sich für 32 Altmeiler beim Nachbarn, was an den Uraltmeilern in Fessenheim am Oberrhein schon zu sehen war. Die französische Atom-Aufsichtsbehörde Autorité de sûreté nucléaire (ASN) ist dazu bereit, die Laufzeit alter Reaktoren um 10 Jahre auf bis zu 50 Jahre zu verlängern, obwohl die nur für 40 Jahre Laufzeit konzipiert waren.

Zur Auflage wird gemacht, dass Konstruktionspläne aktualisiert, Sicherheitsvorkehrungen verbessert, Anlagen repariert und Komponenten ausgetauscht werden müssen, schreibt die Atomaufsicht. Die hatte allerdings schon vor Jahren von einer "besorgniserregenden Sicherheitslage" in den Atomkraftwerken gesprochen, deren Laufzeit sie nun verlängern will.

An der Laufzeitverlängerung für Fessenheim hat die ASN allerdings schon gezeigt, wie die Sicherheitslage vor allem auf dem Papier verbessert wird. Ein schadhafter Dampferzeuger, dessen Sicherheitszertifikate gefälscht waren, musste am Oberrhein nicht ausgetauscht werden, sondern er wurde einfach nachträglich von der ASN genehmigt.

Fessenheim geriet 2014 sogar zwischenzeitlich außer Kontrolle, weil 3.000 Liter Wasser ausgelaufen waren, das in nicht abgedichtete Schaltschränke eingedrungen war.

Die ASN zeigt sich bei erheblichen Sicherheitsproblemen immer wieder kreativ darin, diese auf dem Papier zu umgehen. Obwohl auch zentrale Sicherheitselemente wie beim AKW-Neubau in Flamanville schadhaft sind, für die ebenfalls Zertifikate gefälscht worden waren, will die ASN auch den Betrieb dieses Meilers zulassen.

Der schadhafte Deckel des Druckbehälters am "European Pressurized Reactor" (EPR) soll nach einigen Jahren im Betrieb überprüft werden, wobei unklar ist, wie das geschehen soll. Vom ebenfalls betroffenen Boden spricht niemand, da eine Prüfung dafür ausgeschlossen ist.

Man darf nun gespannt sein, welche Nachrüstungen die hochverschuldete staatliche Betreibergesellschaft Electricité de France (EDF) für die Laufzeitverlängerung von 32 Uraltmeilern in Angriff nehmen muss. So hat auch Bundesumweltministerin Svenja Schulze erklärt: "Es gibt technische und wirtschaftliche Grenzen der Nachrüstbarkeit - so lässt sich etwa ein versprödeter Reaktordruckbehälter nicht austauschen", weshalb sie Laufzeitverlängerungen über die "ursprüngliche Konzeptionsdauer hinaus" ablehnt.

Wie Telepolis immer wieder festgestellt hatte, ist das Vorgehen in Frankreich, bei dem die Atomaufsicht mitspielt, schlicht der Stromknappheit geschuldet. Es werden erhebliche Gefahren in Kauf genommen, weil sich das Land energiepolitisch in eine Sackgasse manövriert hat. Schon jetzt laufen nach Angaben von Greenpeace 13 Reaktoren länger als die 40 Jahre, für die sie einst ausgelegt wurden, weil der Ausbau der Erneuerbaren nur sehr schleppend vorankommt.

Die Stromknappheit hat sich mit der Abschaltung der beiden Fessenheim-Meiler im vergangenen Sommer zugespitzt. Zudem soll das Land 2022 aus dem Kohlestrom aussteigen. Obwohl Kohlekraftwerke nur 2% zur Stromversorgung beitragen, fehlt damit im Winter weiterer Strom, wenn es dann doch noch einmal kalt werden sollte.

Geplant hatten die Atomfreunde in Paris aber ganz anders. Eigentlich sollte seit acht Jahren der EPR in Flamanville mit 1,6 Gigawatt (GW) Nettoleistung den Ausfall in Fessenheim kompensieren. Doch vor 2024 geht der EPR nicht ans Netz.

Angesichts immer neuer Sicherheitsprobleme ist zudem fraglich, ob das jemals geschieht. Geplant waren sogar 30 bis 40 neue EPR-Meiler, doch es wurde mit keinem neuen Projekt begonnen und deshalb muss die Laufzeit verlängert werden, um gefährlich Zeit zu gewinnen.