Kryptologen klagen über massive Forschungsbehinderungen

Rechtsprofessor sieht im europäischen Urheberrecht aber keine Einschränkungen bei der Veröffentlichung von "Hacks".

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Kryptoforscher warnten auf der Berliner Konferenz zum Digital Rights Management am Mittwoch vor Existenz-bedrohenden Behinderungen ihrer Arbeit durch Gesetze wie den amerikanischen Digital Millennium Copyright Act (DMCA) und daraus resultierenden Folgen für die Netz- und Computersicherheit. "Es ist wie Kafka im realen Leben", empörte sich der niederländische Kryptographie-Experte Niels Ferguson. Der unabhängige Berater hat nach eigenen Angaben vor etwa einem Jahr den HDCP-Kopierschutz des Prozessorgiganten Intel geknackt. Veröffentlicht hat er seinen Hack bislang allerdings nicht -­ aus Furcht, in den USA auf Grund eines Verbots des Umgehens von Kopierschutztechniken im DMCA angeklagt zu werden.

Selbst bei seinem Vortrag zeigte sich Ferguson äußerst vorsichtig: "Wenn ich die falschen Worte sage, könnte ich ins Gefängnis wandern", gab er zu Bedenken. Denn wenn er nach Offenlegung seiner Forschung in die USA reisen würde, drohten ihm dort nicht nur fünf Jahre Haftstrafe, sondern auch eine Geldstrafe bis zu 500.000 US-Dollar, sagte der Techniker mit Blick auf den aus Russland stammenden, vom FBI in Las Vegas bei einem Konferenzbesuch festgenommenen eBook-Cracker Dmitry Sklyarov. Er sei damit vor die Wahl gestellt, seine Meinungsfreiheit oder seine Reisefreiheit zu opfern. Bislang hat sich Ferguson für Ersteres entscheiden, da er beruflich oft in den USA unterwegs sein müsse.

Über seinen Hack verriet der Kryptograph nur soviel, dass er den Master-Key für die "High-bandwidth Definition Content Protection" nach dem Herunterladen der Spezifikationen nach weniger als zwei Wochen ohne große Mühen ausgelesen hatte. Obwohl das System, das die Übertragung von Video-Signalen zwischen einem PC und einem LCD-Display sichern soll, damit kompromittiert sei, würden zahlreiche Inhalte-Anbieter trotzdem darauf setzen. Intel hätte seinen der Öffentlichkeit vorenthaltenen Bericht schlicht als "unbegründet" zurückgewiesen. Der DMCA ist für Ferguson damit auch "das Schmieröl im kriminellen Getriebe", da Piraten nun ohne große Probleme auf die vermeintlich geschützten Medienangebote zugreifen könnten.

Einen Job und schon über 17.000 US-Dollar an Anwaltskosten hat die Anti-Umgehungsklausel des DMCA bereits Drew Dean gekostet. Als Kryptoexperte bei Xerox hatte sich der Wissenschaftler im Herbst 2000 am Hacker-Wettbewerb der Secure Digital Music Initiative (SDMI) beteiligt. Dabei war es den Forschern gelungen, vier Wasserzeichen und zwei Authentifizierungscodes zu knacken. Als die Einreichung zu dem Wettbewerb im April 2001 auf der Website Cryptome ohne Wissen des Teams veröffentlicht wurde, drohte die Recording Industry Associaton of America (RIAA) eine Klage an. Dean sah sich gezwungen, seine Position bei Xerox aufzugeben und forscht nun am Labor SRI International im Silicon Valley über alles andere als Kryptographie. Die sich auf den DMCA stützende Einschüchterungstaktik der Musikindustrie bezeichnet Dean heute durchaus als "erfolgreich". Aber ihm sei die Lust am weiteren Kämpfen verloren gegangen, da durch das umstrittene Gesetz die Bedrohung "nahezu unbegrenzter ziviler Strafen" einhergehe.

In den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union könnten bald ähnliche Verhältnisse einkehren: Die EU-Urheberrechtsrichtlinie aus Brüssel stellt die Umgehung von technischen Kopierschutzvorrichtungen sowie sogar bereits "Vorbereitungshandlungen" in Artikel 6 ebenfalls unter Strafe. Doch Bernt Hugenholtz, Professor am Amsterdamer Institute for Information Law, gab in Berlin Entwarnung: "Der Grund für das Umgehen ist entscheidend", sagt der Experte, der die Entstehung der EU-Direktive genau verfolgt hat. Die kryptographische Forschung könne dabei nicht den Anlass für eine Klage bilden. Das werde auch in den Erwägungsgrundlagen 48 und 50 am Anfang des Richtlinientextes explizit klargestellt.

Für besorgte Kryptofreaks hatte Hugenholtz zudem noch einen "Geheimtipp" parat: So biete die Site FreeWorld die Möglichkeit, Forschungsergebnisse unter der so genannten "No DMCA"-Lizenz der "Free World" zu veröffentlichen. Surfer müssten vor dem Einstieg in die Seite unter anderem erklären, dass sie nicht aus den USA kommen und die Archivinformationen nicht für kriminelle Zwecke nutzen wollen. (Stefan Krempl) / (jk)