Mit ".de.mail" zur nächsten ICANN-Wahl

Eineinhalb Jahre nach der ersten Online-Wahl für die Internet-Verwaltung ICANN scheint das Selbstregulierungskonzept für viele User an Attraktivität verloren zu haben.

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Von
  • Monika Ermert

Eigene Domains unter meinname.de.mail als Stimmzettel für die noch in diesem Jahr anstehende zweite weltweite Online-Wahl für das Direktorium der ICANN (Internet Corporation for Assigned Names and Numbers) schlug am vergangenen Wochenende erneut Andy Müller-Maguhn vor. Der für Europa gewählte ICANN-Direktor teilte auf Anfrage von heise online mit, dass er sich prinzipiell noch einmal für das Amt zur Verfügung stellen würde. Die Zukunft der Nutzermitbestimmung im ICANN-Prozess, die bei der 3. Tagung des ICANN-Studienkreis in Salzburg diskutiert wurde, bleibt allerdings nach wie vor umstritten. Die geplanten Regional-Räte gibt es noch nicht -- und das nur wenige Monate vor dem Wahltermin.

Regionale ICANN-Räte, sechs statt der ursprünglich geplanten neun Sitze im 19-köpfigen Vorstand und eine Einschränkung des Wahlrechtes auf Domaininhaber -- über diese Vorschläge des von ICANN eingesetzten "At Large Membership Study Committee" fällen die amtierenden ICANN-Direktoren voraussichtlich bei der nächsten Sitzung in Accra eine endgültige Entscheidung. Allerdings könnte ein für Februar anberaumtes Arbeitstreffen der Direktoren unter Ausschluss der Öffentlichkeit bereits vorentscheidend sein."Selbst die Hardlinder unter den Direktoren, die ICANN am liebsten ohne jegliche Beteiligung von Nutzern agieren sehen möchten, wissen, dass an der Existenz der von Nutzern gewählten Direktoren inzwischen nicht mehr zu rütteln ist", sagte Müller-Maguhn. Nicht mehr viele Chancen gibt Müller-Maguhn allerdings dem Modell, das den Nutzern ebenso viele Vorstandssitze sichern soll wie den Unternehmen und Standardisierungsgremien. Mit nur sechs gewählten Vertretern bleiben, so Müller-Maguhn, die Nutzer vorerst in der Minderheit.

Die beiden ICANN-Fachgruppen "Wirtschaft" und "Geistiges Eigentum" fordern derzeit sogar, den gewählten Nutzervertretern kein eigenes Stimmrecht auf Vorstandsebene zu geben. ICANN-Vertreter Herbert Vitzthum warnte in Salzburg ebenfalls noch einmal vor einer möglichen "Aufblähung" der ICANN. Nach Ansicht der EU-Parlamentarierin Erika Mann wird eine starke At-large-Vertretung, wie die Repräsentation von Internet-Anwendern im ICANN-Slang heißt, automatisch auch zur Ausweitung des ICANN-Mandats bis hin zur Regulierung von Inhalten führen. Die Berliner Politikwissenschaftlerin Jeanette Hofmann, Mitglied der NGO und Academic Study Group (NAIS), sieht dagegen anders als Mann die Rolle der Nutzervertreter gerade darin, ICANNs Arbeit besser zu kontrollieren. "Die At-large-Vertreter müssen sozusagen einen Stacheldraht um das ICANN-Mandat ziehen", sagte Hofmann. Die NAIS-Gruppe setzt sich nach wie vor für eine gleichberechtigte Mitsprache der Nutzer ein.

Eineinhalb Jahre nach der ersten weltweiten Online-Wahl für das Direktorium scheint das Selbstregulierungskonzept allerdings für viele User an Attraktivität verloren zu haben. Nicht einmal zwei Dutzend Organisationen kamen dem Aufruf des At-large-Studienkomitees nach, sich für die Abwicklung der Wahlen und zur Etablierung regionaler ICANN-Nutzerräte melden. Aus Europa haben bislang nur die die Internet Society von England, Italien, Finnland und Bulgarien reagiert. Wegen der vorerst zögerlichen Reaktionen hat das ALSC die Antwortfrist nun noch einmal bis zum 15. Februar verlängert. Parallel will man in einer Nutzerumfrage wissen, ob überhaupt noch jemand an der Wahl interessiert ist. "Wenn es nach 14 Tagen nur wenige Antworten gibt, hat man ein weiteres Argument gegen eine starke At-large-Beteiligung", fürchtet Hofmann.

Dass sich auf den Aufruf für die Regional-Räte kaum jemand gemeldet hat, liegt allerdings nach Ansicht des frisch gebackenen Vizechefs des so genannten General Assembly der ICANN, Alexander Svensson, vor allem daran, dass er noch nicht einmal über ICANNs offizielle Ankündigungskanäle verbreitet wurde. Ende Januar hat das ALSC nun neben der ISOC die Gesellschaft für Informatik, die Arbeitsgemeinschaft der Verbraucherverbände (und die Verbraucherzentrale NRW), den CCC, das Council of European Professional Informatics Societies (CEPIS), den Förderverein Informationstechnik und Gesellschaft (FITUG), und den Verband BITKOM angeschrieben. Auch der Heise-Verlag erhielt -- allerdings erst am 30. Januar -- Post: "Wenn Sie sich vorstellen können, sich an der Gründung der vorgeschlagenen At-large-Organisation zu beteiligen, um die Sicht individueller Nutzer bei der technischen Koordination des DNS einzubringen, senden sie bitte bis 1. Februar eine Mail an comments@atlargestudy.org." Die Art der Fristsetzung macht diese Aktion allerdings recht fragwürdig.

Das aktuelle Kernproblem ist dann auch, meint Müller-Maguhn, keineswegs nachlassendes Interesse, sondern vielmehr mangelnde Strukturen und fehlende Finanzierung der At-large-Arbeit. "Der Vorschlag des At-large-Studienkomitees, regionale Vertretungen zu gründen, ist fast ein bisschen zu toll," sagt Müller-Maguhn. "Denn er unterschlägt das entscheidende Problem, nämlich, wie das Ganze finanziert werden soll." Künftige Kandidaten warnt Müller-Maguhn daher schon einmal vor: Von der ICANN sollten sie sich keine finanzielle und organisatorische Unterstützung erwarten. (Monika Ermert) / (jk)