Indien weist Kinderporno-Vorwürfe der Familienministerin zurück

Die Indische Botschaft in Berlin hat die Behauptung Ursula von der Leyens, dass auf dem Subkontinent Kinderpornographie nicht geächtet sei, entschieden zurückgewiesen.

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Die Indische Botschaft in Berlin hat die Behauptung von Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen, dass auf dem Subkontinent Kinderpornographie nicht geächtet sei, entschieden zurückgewiesen. Die Darstellung der CDU-Politikerin "ist völlig unbegründet und irreführend", schreiben die Diplomaten überraschend unverblümt in einer Antwort auf Nachfrage von Bloggern. Das indische Strafgesetzbuch und die Strafprozessordnung von 1973 würden mehrere Bestimmungen zur Bestrafung von Kinderpornographie beinhalten, etwa Abschnitt 354 über Verstöße gegen den Anstand gegenüber Frauen, Abschnitt 375 über die Straftat der Vergewaltigung und Abschnitt 377 über "unnatürliche" Handlungen und Straftaten.

Noch deutlicher wird laut der Erwiderung das Informationstechnologiegesetz nach seiner 2008 erfolgten Novellierung, die am 5. Februar erlassen wurde. Nach Abschnitt 67 dieses Normenwerks ist es in Indien ein krimineller Akt, Material, das Kinder in obszöner, unanständiger oder sexuell expliziter Weise darstellt, in jeglicher elektronischen Form "zu veröffentlichen, zu übertragen, zu sammeln, zu erschaffen, zu suchen, zu fördern, zu bewerben, auszutauschen oder zu vertreiben". Die Begehung solcher Straftaten kann mit Haftstrafen von bis zu sieben Jahren und Geldstrafen bis zu rund 15.000 Euro geahndet werden. Strafbar ist in Indien auch, entsprechendes Material im Internet zu betrachten oder herunterzuladen.

Von der Leyen hatte Indien Ende Juni öffentlich gemeinsam mit "Afrika" in eine von ihr konstruierte Allianz der Unwilligen im Kampf gegen Kindesmissbrauch eingereiht. Dabei hatte sie im Rahmen der "Konferenz zum Schutz vor sexueller Gewalt gegen Kinder und Jugendliche mit Fokus auf neue Medien" auf dem Podium ausdrücklich darauf verwiesen, dass auch in Ländern mit einer hoch entwickelten Informations- und Netztechnologie die Verbreitung kinderpornographischer Angebote nicht immer strafbar sei.

Ein Sprecher des Familienministeriums hatte später eingeräumt, dass die Einschätzung auf einer zweifelhaften Umfrage des in den USA beheimateten International Center for Missing and Exploited Children (ICMEC) aus dem Jahr 2006 beruhte. Eine Widerlegung der Zahlen stieß im Hause von der Leyens auf großes Interesse, auch wenn das Ministerium trotzdem angesichts "fachlich nicht nachvollziehbarer Angaben" bei seiner Ansicht blieb. Für den konkreten Fauxpas mit Indien, der durch ein wenig Recherche hätte verhindert werden können, sucht die PR-Mannschaft von der Leyens seit Dienstagmittag eine noch ausstehende Erklärung.

Der von der SPD zur Piratenpartei gewechselte Bundestagsabgeordnete Jörg Tauss hat sich mittlerweile beim Botschafter Indiens für "Lügen" der Familienministerin entschuldigt. Er schäme sich für von der Leyen, die wegen einer innenpolitischen Auseinandersetzung einen Staat wie Indien verleumdet habe, erklärte der Pirat. Die Staatsanwaltschaft hat Tauss selbst illegalen Besitz von Kinderpornos vorgeworfen, dieser weist die Beschuldigungen aber von sich. Die Bürgerrechtlerin und Telepolis-Autorin Bettina Winsemann alias Twister hat die Familienministerin gar gebeten, zurückzutreten. Von der Leyen habe das am Freitag auch vom Bundesrat gebilligte Gesetz zu Web-Sperren im Kampf gegen Kinderpornographie im Netz mit "falsch interpretierten Zahlen, Wortverdrehungen und offenen Lügen" durchgesetzt und damit großen politischen Schaden angerichtet.

Der Arbeitskreis gegen Internet-Sperren und Zensur hat nach seiner Aufforderung an Bundespräsident Horst Köhler (CDU), das umkämpfte "Zugangserschwerungsgesetz" nicht zu unterzeichnen, unterdessen eine Standardantwort erhalten. Das Staatsoberhaupt wird demnach die Frage der Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes prüfen, sobald dieses ihm zur Ausfertigung vorgelegt wird. Die vorgebrachten Bedenken würden dabei berücksichtigt, "soweit sie verfassungsrechtlich von Belang sind".

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(Stefan Krempl) / (pmz)