Aldi-PC: Viel Krach fürs Geld

Die c't-Redaktion hat einen der neuen Aldi-PCs gekauft und auf den Prüfstand gestellt.

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Von
  • Georg Schnurer

Angeheizt durch Medienberichte begann der Run auf den neuen Aldi-PC im Norden Deutschlands bereits gestern, für den Süden fiel der Startschuss zur Schnäppchenjagd heute. Doch lohnt es sich wirklich, für diesen Rechner 1199 Euro locker zu machen?

Auf den ersten Blick kommen daran kaum Zweifel auf. Der PC protzt mit Superlativen: Allein für den Prozessor, einen Pentium 4 mit 2 GHz Taktfrequenz und 512 KByte L2-Cache (Northwood-Kern) blättert man im Einzelverkauf gut 430 Euro hin. Weitere werbewirksame Highlights sind die drei FireWire-Ports (1394) zum Anschluss von Digitalkameras und ähnlichem Video-Equipment. Die 1394-Ports stellt eine Combo-Karte bereit, auf der sich auch das 56K-Modem befindet. Wer statt des Modems eine ISDM-Karte verwenden will, kann die Combo-Karte bei Medion bis zum 31.8.2002 kostenlos gegen eine ISDN-/1394-Combo-Karte umtauschen. Diese funktioniert, wie die Modem-Combo-Karte allerdings nur ein dem speziellen blauen Combo-Port des Motherboards.

Werbewirksamen Eindruck schindet auch das Soundinterface (C-Media CMI8738-PCI). Es bietet sechs Lautsprecherausgänge für 5.1-Sound und einen digitalen Ein- und Ausgang (SPDIF). Vier USB-Anschlüsse sind ebenso vorhanden wie der obligatorische Game-Port. Viele Anschlüsse sind über einen der beiden 3,5-Zoll-Einbauplätze an der Frontseite des Geräts herausgeführt. Wer allerdings ein Headset anschließen möchte, steht vor einem Problem: Der Mikrofoneingang befindet sich vorn am Rechner, der Line-Ausgang dagegen hinten.

Der Soundchip befindet sich ebenso wie die Netzwerkschnittstelle (10/100 MBit Ethernet) auf dem mit Intels i845D-Chipsatz und 256 MByte DDR-Speicher (PC2100-2533) arbeitenden Board. Dieses gibt sich als Medion-Modell 3500 zu erkennen; es sprechen aber einige Indizien dafür, dass es sich hier um ein von MSI für Medion gebautes Modell handelt. BIOS-Updates und ähnliches wird man nur auf der Medion-Homepage finden.

Bei der Grafikkarte lockt das Zauberwort GeForce4, auch wenn es sich bei dem darauf verwendeten Chip nur um die billigere GeForce4-MX460-Version mit einfacherer Architektur handelt. Das gute Stück wartet aber mit Video-Ein- und Ausgängen auf und bietet zwei analoge Monitorausgänge, die den Parallelbetrieb von zwei Displays erlauben. Leider gibt es keinen Digitalausgang; all jene, die ein LC-Display anschließen wollen, müssen also mit der schlechteren analogen Ansteuerung zufrieden sein. Wir hätten uns eine DVI-I-Buchse gewünscht, die über einen Adapter sowohl analoge als auch digitale Displays ansteuern kann.

Die Hardware-Ausstattung komplettieren ein CD-RW-Brenner von Sony, ein DVD-Laufwerk (Artec DHI-G40) sowie eine 80-GByte-Festplatte von Seagate. Es handelt sich um das nicht gerade schnell arbeitende Modell ST380020A, das im Test eine mittlere Dauertransferrate von 28 MByte/s erreichte. Andere preiswerte Laufwerke kommen hier auf Werte von bis zu 32 MByte/s. Die Softwareausstattung besteht aus der Home-Edition von Windows XP sowie etlichen Anwendungsprogrammen (siehe Tabelle).

Im c't-Testlabor machte der Rechner einen durchwachsenen Eindruck: Die Anwendungs- und Spieleleistung fiel angesichts der üppigen Hardware erwartungsgemäß sehr gut aus. Weniger überzeugte das Soundinterface. Es lieferte zwar den versprochenen 5.1-Sound, wartete aber mit sehr schlechter Dynamik und einem sehr schlechten Frequenzgang am Mikrofoneingang auf. Die beiden SPDIF-Buchsen waren zunächst überhaupt nicht zu benutzen -- sie mussten erst im BIOS eingeschaltet werden. Ein großer Verlust ist das allerdings auch nicht, da die Klangqualität bei weitem nicht dem entspricht, was man von einem digitalen Eingang erwartet. Bei der Wiedergabe eines über den Digitaleingang eingespeisten Signals über den Line-Ausgang ermittelten wir zwar einen besseren Klirrfaktor und leicht höhere Dynamik als auf der rein analogen Schiene, doch fiel der Frequenzgang auch im Vergleich zum Line-Eingang deutlich ab. Wer den PC für ernsthafte Musikbearbeitung verwenden will, muss sich also notgedrungen nach einem besseren Audio-Interface umsehen.

Menschen mit gutem Gehör werden ohnehin keine Freude an diesem Aldi-PC haben: Unser Exemplar lärmte im Normalbetrieb mit 5,1 Sone vor sich hin, da ist ein konzentriertes Arbeiten kaum möglich. Bei DVD-Zugriffen steigerte sich der Krach sogar auf über 8 Sone. Die Hauptlärmquelle im System ist der Prozessorlüfter, doch auch der auf der Grafikkarte untergebrachte Quirl trägt seinen Teil zur Geräuschkulisse bei.

Bei der Prüfung von Systemaufbau und Windows-Installation fiel auf, dass der Rechner ab Werk nur den klassischen Standby-Modus bietet. Damit verbrät er im "Energiesparbetrieb" knapp 48 Watt. Zudem lärmt er hier mit kaum verminderter Lautstärke vor sich hin. Aktiviert man statt dessen via BIOS den Suspend-to-RAM-Modus (ACPI-S3), so sinkt der Energiebedarf auf 3,6 Watt, da das System in diesem Zustand nur noch den Hauptspeicher mit Energie versorgt. Netzteil-, Grafikkarten- und CPU-Lüfter verstummen dann und es herrscht himmlische Ruhe. Das Aufwachen aus dem Standby-Modus (S3) klappte bei unseren Tests übrigens stets zuverlässig. Somit ist es unverständlich, warum Aldi respektive Medion diese Energie- und nervenschonende Betriebsart nicht vorgesehen hat.

Bleibt noch zu erwähnen, dass das mitgelieferte Handbuch seine Aufgabe nur unzureichend erfüllt. Im Groben beschreibt es zwar die typischen Komponenten einen PCs, wenn es aber darauf ankommt, wird es ungenau und oberflächlich. So fehlen eine Beschreibung der Jumper und Steckplätze auf dem Board und eine auf den konkreten Rechner bezogene Dokumentation des BIOS-Setup. Die Option zum Aktivieren der abgeschalteten SPDIF-Buchsen beschreibt es ebensowenig wie die TV-Eingänge oder die Konfiguration des zweiten VGA-Ausgangs.

Abschließend testeten wir auch noch, ob sich der PC als Linux-Rechner eignet. Dazu verwendeten wir die brandneue Version 8.0 der Suse-Distribution, die in diesen Tagen in den Handel kommt. Bevor sich Linux auf dem Aldi-PC breit machen kann, muss man allerdings erst einmal mit anderen Programmen wie etwa Partition Magic Platz auf der Festplatte schaffen, wenn man nicht die vorhandene Windows-Installation löschen will. Der Linux-Setup klappte zunächst recht gut. Nach dem ersten Reboot scheiterte das System allerdings an der Erkennung der Grafikkarte. Hier muss in jedem Falle manuell nachgebessert werden, da das Einbinden eines Nvidia-Kernels bei diesem Rechner auch nicht über das automatische Online-Update von Suse klappt. Die Sound- und Netzwerkkarte identifiziert Suse Linux 8.0 dagegen automatisch. Erfahrene Linux-Anwender sollten also in der Lage sein, den Aldi-PC auch mit diesem Betriebssystem zu nutzen.

Bleibt zum Schluss die Frage: Kaufen oder nicht? Nun, die für das Geld offerierte Hard- und Software ist durchaus beeindruckend. Vergleichbares kostet anderswo gut 150 bis 200 Euro mehr. Aber diese Rechnung geht nur auf, wenn man die reichhaltige Ausstattung wirklich nutzt. Wer nicht unbedingt einen 2-GHz-Prozessor benötigt, die 1394-Ports nicht gebrauchen kann oder keinen Wert auf 5.1-Sound legt, kommt günstiger zu einem auf seine Bedürfnisse zugeschnittenen Rechner.

Doch auch wenn man mit der gelieferten Hardwareausstattung zufrieden ist, überzeugt der Aldi-PC nicht vollends. Was nutzt der schnellste Rechner, wenn er durch übermäßige Lärmentwicklung die Konzentration beim Arbeiten stört und einem durch sein Eigengeräusch den DVD- und Musikgenuss vergällt? Ein Multimedia-PC dieser Preisklasse sollte etwas besser fürs Wohnzimmer geeignet sein. (gs)