Telefonieren per WiFi-Calling

Moderne Smartphones können Telefonate nicht nur über das Mobilfunknetz, sondern auch über WLAN führen. Das hilft vor allem in Gebäuden mit schlechtem Empfang.

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(Bild: Albert Hulm)

Lesezeit: 8 Min.
Von
  • Urs Mansmann
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Der Mobilfunkempfang in Gebäuden war schon immer schlecht. Dicke Außenmauern und metallbeschichtete Fensterscheiben dämpfen Funksignale massiv, in vielen Gebäuden hat man nur schlechten Empfang oder etwa in den unteren Geschossen oder im Keller gleich gar kein Netz. Moderne Smartphones können Telefonate aber nicht nur über das Mobilfunknetz, sondern auch über WLAN führen. Das hilft bei miesem Empfang in Gebäuden, spart aber, anders als man glauben könnte, keine Kosten – im Ausland drohen sogar Kostenfallen. Die Netzbetreiber haben die Funktion auch für Prepaid-Tarife freigegeben.

Abhilfe bei schlechtem Empfang schafft WiFi-Calling, in Deutschland auch oft "WLAN Call" genannt. Dabei laufen die Gespräche per Voice over IP (VoIP) über das WLAN-Netz, man bezeichnet den Übertragungsweg daher auch als Voice over WiFi (VoWiFi). Obwohl das Mobilfunknetz gar nicht involviert ist, rechnen die Provider die WLAN-Telefonate so ab, als ob sie per Mobilfunk stattgefunden hätten.

Die zugrundeliegende Technik ist bei VoLTE (Voice over LTE) und VoWiFi sehr ähnlich. Allerdings muss das WLAN eine gute Verbindung ins Internet bereitstellen. An stark belasteten Hotspots, etwa in vollbesetzten ICEs oder an gut besuchten Flughäfen, kann es sinnvoll sein, VoWiFi zu deaktivieren und das Mobilfunknetz zu verwenden.

Die Sprachqualität bei WLAN-Calls ist, sofern die Netzanbindung stimmt, ausgezeichnet. Durch die Vermittlung per IP müssen nicht wie in früheren Jahren zigtausende Basisstationen im Mobilfunknetz auf einen neuen Software-Stand gebracht werden, um neue Verfahren oder Codecs einzuführen. Für Optimierungen von VoLTE und VoWiFi reichen Updates von wenigen, zentral gelegenen VoIP-Vermittlungseinheiten. Mobilfunknetze und WLANs sorgen nur noch für den Transport von Datenpaketen.

Auch der Rufaufbau geschieht sehr schnell. Im Mobilfunknetz muss man dafür im schlimmsten Fall mit knapp zehn Sekunden rechnen, wenn das Mobilfunkgerät im LTE-Netz eingebucht ist, aber kein VoLTE beherrscht und deswegen erst ins 2G- oder 3G-Netz wechseln muss. Erfolgt der Ruf direkt im 2G- oder 3G-Netz, dauert es immer noch rund fünf Sekunden. Voice over LTE schafft das in rund zwei und bei WiFi-Calling ist der Rufaufbau sogar in rund einer Sekunde erledigt.

In den Mobilfunknetzen steht seit einigen Jahren mit EVS (Enhanced Voice Service) ein sehr leistungsfähiger Sprachstandard für VoWiFi- und VoLTE-Verbindungen zur Verfügung. Oft wird EVS im Marketing als "HD Voice Plus" bezeichnet, Vodafone nennt es "Crystal Clear", kristallklar. Dieses Verfahren überträgt das Audiosignal bis zu 14 kHz, deckt also praktisch den kompletten Frequenzgang des menschlichen Ohrs ab.

Das ist nochmals eine deutliche Verbesserung gegenüber bisherigen HD-Voice-Verfahren wie AMR-WB, das auch weiterhin im 2G- und 3G-Mobilfunknetz zum Einsatz kommt, oder G.722 im Festnetz. Umso drastischer fällt inzwischen auf, wenn die Gegenstelle nur ein normales Analog- oder ISDN-Telefon einsetzt, das nur 3 kHz abdeckt.

Telefonate in maximaler Qualität sind innerhalb Deutschlands netzübergreifend möglich, solange beide Gegenstellen EVS beherrschen und die Telefonate auf beiden Seiten per VoLTE oder VoWiFi vermittelt werden. Läuft das Telefonat auf mindestens einer Seite über Festnetz, UMTS oder GSM (3G, 2G) kommen jedoch ältere, weniger leistungsfähige Codecs zum Einsatz. In diesem Fall darf man maximal die einfache HD-Voice-Qualität erwarten, also ohne Plus. VoIP-Gegenstellen im Festnetz können im Idealfall 7 kHz Audio übertragen.

Um das WLAN für WiFi-Calling vorzubereiten, müssen im Router oder in der Firewall die Ports 500 und 4500 für UDP freigegeben sein, denn das System nutzt zur Sicherung der Verbindung IPsec und IKEv2. Durch eine Sperre dieser Ports kann man die Nutzung des Dienstes unterbinden. In öffentlichen WLANs sind die nutzbaren Ports häufig beschränkt. Probleme kann es bei der Verbindung mit Vodafone geben, wenn das LAN auf bestimmte ausländische DNS-Server konfiguriert ist, beispielsweise den von Google, weil Vodafone offenbar auch auf diese Information zurückgreift, um den Client zu lokalisieren und bei vermuteter Nutzung im Ausland das WiFi-Calling temporär sperrt. Vodafone räumt ein, dass die Geo-Lokalisierung teilweise ungenau arbeitet.

Wenn man in der Fritzbox fürs Gastnetz "Internetanwendungen beschränken: Nur Surfen und Mailen erlaubt" anklickt, sperrt das die fürs WiFi-Calling benötigten Ports. In allen anderen üblichen Heim-router-Konfigurationen sollte VoWiFi jedoch problemlos laufen.

Beim Aktivieren von WLAN-Anrufen auf den iPhone erscheint ein Hinweis, welche Daten an den Anbieter übertragen werden.

Lange Zeit war WiFi-Calling den Vertragskunden vorbehalten. Inzwischen haben aber alle Netzbetreiber nachgelegt und das auch für Prepaid-Kunden zugelassen. Auch für die Kunden vieler Service-Provider ist WiFi-Calling bereits freigegeben, sowohl für Laufzeit- als auch für Prepaid-Kunden. In manchen Fällen, vor allem bei Altverträgen, muss aber zunächst eine Freischaltung erfolgen. Im Zweifel hilft ein Anruf bei der Hotline.

Eine Ausnahme bildet der Sipgate-Mobilfunkableger Simquadrat. Hier fehlt nach Angaben des Unternehmens noch eine IP-Anbindung zwischen Sipgate und Telefónica, die aber im Laufe des Jahres erfolgen soll. Auch der Provider Lebara bietet derzeit in Deutschland kein VoWiFi an, wohl aber beispielsweise sein Schweizer Ableger. Keine Angaben dazu findet man bislang auch bei der Vodafone-Tochter Fyve.