Hessische Regierung plant Erweiterung des Polizeigesetzes

Bürgerrechtler beäugen die von CDU und FDP geplante Erweiterung und Neujustierung von Fahndungsmitteln wie der Quellen-Telekommunikationsüberwachung, dem Kennzeichenscanning oder der Rasterfahndung skeptisch.

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Die von CDU und FDP in Hessen geplante Erweiterung und Neujustierung von Fahndungsmitteln wird von Bürgerrechtlern skeptisch beobachtet. Der Jurist Patrick Breyer vom Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung schreibt in seinem Blog, wer bei der hessischen Landtagswahl gehofft habe, die Liberalen würden den "freiheitsrechtlichen Amoklauf" der Christdemokraten stoppen und "eine Wende der Innenpolitik weg von Symbolgesetzen hin zu Wirksamkeit und Freiheit durchsetzen, den enttäuscht der vorliegende Gesetzentwurf". Die Regierungskoalition in Wiesbaden müsse sich "auf eine weitere Aufhebung ihres Gesetzes durch das Bundesverfassungsgericht einrichten". Dieser Meinung sind auch die Grünen im hessischen Landtag.

Stein des Anstoßes ist der Ende Juni von den Fraktionen der CDU und der FDP in den Landtag eingebrachte Entwurf (PDF-Datei) für eine Novellierung des "Hessischen Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung und anderer Gesetze". Ordnungshüter sollen damit unter anderem eine neue Befugnis zum "verdeckten technischen Eingriff" in informationstechnische Systeme für die Quellen-TKÜ bekommen. Internet-Telefonate sollen mit einer dem Bundestrojaner vergleichbaren Software vor einer Verschlüsselung direkt am Rechner abgehört werden können. Dabei dürfe ausschließlich laufende Telekommunikation erfasst werden, betonen die Koalitionsfraktionen. Experten sind sich dagegen uneins, ob eine Wanze am PC zu einer solchen Trennung der Datenströme überhaupt in der Lage ist.

Geplant ist außerdem eine neue Norm über den Einsatz automatisierter Kennzeichenlesesysteme auf öffentlichen Straßen und Plätzen. Dieser wird eingeschränkt auf die Abwehr von konkreten Gefahren und zum Einsatz an Orten, an denen mit erhöhter Wahrscheinlichkeit mit Straftaten zu rechnen ist. Schwarz-Gelb hofft so, den Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts Rechnung zu tragen. Diesem Anliegen gerecht werden will auch die Neuregelung zum Schutz des Kernbereichs der privaten Lebensgestaltung beim großen Lauschangriff. Er dürfte nicht angewandt werden, wenn angenommen werde darf, dass dadurch "allein" Erkenntnisse aus der Intimsphäre erlangt würden.

Ausbauen will die Koalition den besonderen Schutz sogenannter Berufsgeheimnisträger bei der TK-Überwachung. Eingeschlossen werden sollen neben Geistlichen, Strafverteidigern und Abgeordneten auch Rechtsanwälte und Journalisten. Das Gesetz ermächtigt die Polizei auch, mit richterlicher Erlaubnis Wohnungen und Garagen zu betreten, um technische Überwachungsmittel zu installieren. Videoüberwachung soll künftig nicht allein zur Verhütung von Straftaten angewendet werden, sondern pauschal zwei Jahre bis zu einer erneuten Prüfung der Voraussetzungen. Nur wenn eine konkrete Gefahr vorliegt, soll eine Rasterfahndung erlaubt werden. Erstmals zulassen will die Koalition den Zugriff der Strafverfolger auf die verdachtsunabhängig gespeicherte Verbindungs- und Standortdaten zur Gefahrenabwehr, obwohl gegen die Speicherverpflichtung der Provider Verfassungsbeschwerden laufen.

Generell soll der hessischen Polizei die "vorbeugende Bekämpfung von Straftaten" gestattet werden. Sie soll einfacher Informationen über Personen in Deutschland an Behörden im europäischen Ausland weitergeben können. Der Einsatz des IMSI-Catchers zur Ortung und Kontrolle von Mobiltelefonen und die "Störung" von TK-Verbindungen soll gesetzlich legitimiert werden. Innenpolitiker der Koalition sprechen insgesamt von einer Anpassung der Sicherheitsarchitektur Hessens "mit Augenmaß". Bürgerrechte würden gewahrt und zugleich verhindert, dass "die abscheuliche, organisierte Kriminalität ein friedliches Zusammenleben der Gesellschaft in Freiheit" einschränke. Der "verstärkten Bedrohungslage durch terroristisch motivierte Straftäter" werde Rechnung getragen. (Stefan Krempl) / (anw)