Gutachten zur Digitalisierung: Deutschlands öffentliche Hand versagt

"Archaische" Zustände und "Organisationsversagen": Ein Gutachten von Regierungsberatern prangert den Rückstand Deutschlands bei der Digitalisierung an.

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(Bild: Antonio Guillem / shutterstock.com)

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Die Corona-Pandemie hat aus Sicht von Regierungsberatern erhebliche Rückstände in der Digitalisierung in Deutschland "schonungslos" offengelegt. Sowohl beim Ausbau der digitalen Infrastruktur als auch beim Einsatz digitaler Technologien und Dienstleistungen sei das Land hinter viele andere OECD-Staaten zurückgefallen, bemängelt der wissenschaftliche Beirat des Bundeswirtschaftsministeriums in einem am Dienstag veröffentlichten Gutachten.

"Im vergangenen Jahr hat die Corona-Krise zu einem erheblichen Digitalisierungsschub geführt. In einigen Bereichen, zum Beispiel dem Homeoffice, war es möglich, in kurzer Zeit auf digitale Kommunikation und die Nutzung digitaler Prozesse umzustellen, in anderen Bereichen, so im Schul- und Gesundheitswesen, gelang dies nur mühsam oder so gut wie gar nicht", sagte der Vorsitzende des Beirats, Klaus Schmidt, anlässlich der Vorstellung des Gutachtens. Viele der Fortschritte im Bereich der Digitalisierung während der Corona-Pandemie hätten aus Sicht der Berater auch schon lange vor der Krise unternommen werden können.

Von den Expertinnen und Experten wurden Entwicklungen in Bereichen wie Breitbandausbau, Homeoffice und digitale Kommunikation, bargeldlose Zahlung, Gesundheitssystem, allgemeinbildende Schulen, Hochschulen und öffentliche Verwaltung untersucht. Dabei beruhe der Rückstand Deutschlands bei der Digitalisierung oftmals weniger auf fehlenden finanziellen Mitteln oder Marktversagen, sondern auf verschiedenen Formen von Organisationsversagen, heißt es in dem Gutachten.

Vor allem der öffentlichen Hand stellt der Beirat schlechte Noten aus. Deutschland leiste sich in Schulen, Hochschulen, Landes- und Bundesministerien, kommunalen Verwaltungseinheiten und Gerichten "Strukturen, Prozesse und Denkweisen, die teilweise archaisch anmuten". Bereits vor der Pandemie habe sich das als ein wesentliches Hemmnis für eine effektive Digitalisierung erwiesen. Internationale Vergleiche hätten das "Koordinations- und Organisationsversagen der öffentlichen Hand in Deutschland" mehrfach aufgezeigt. Die administrative und politische Führung müsse hier vorangehen und die Dringlichkeit der Transformation deutlich machen.

Auch mit einer massiven Erhöhung der Mittel sei vorerst keine Beschleunigung zu erwarten, wenn nicht auch Abläufe in Planung und Umsetzung einfacher gestaltet und Aufgaben besser verteilt würden. Erkennbar sei das unter anderem am Digitalpakt Schule, dessen Mittel bislang kaum an den Schulen angekommen seien. Entsprechend sollte die Politik bürokratische Hindernisse minimieren und einen Regulierungsrahmen schaffen, der Digitalisierung erleichtert, wird im Gutachten gefordert. Dazu könnte etwa ein verbindlicher Staatsvertrag zwischen den Bundesländern für Vereinfachungen sorgen.

Ebenfalls spricht sich der Beirat für ein weniger absolutes Verständnis des Datenschutzes aus. Im Falle des Breitbandzugangs sieht man vor allem den Staat als nötigen Vorreiter, weil hier der Markt versage; ein staatlicher Ausbau könne die notwendige Infrastruktur zügiger bereitstellen, insbesondere im ländlichen Raum.

Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) begrüßte die Empfehlungen. "Der Beirat weist aber zu Recht darauf hin, dass Finanzmittel allein noch kein Allheilmittel sind. Genauso braucht es mehr Bereitschaft zu Veränderungen und verbesserte organisatorische Abläufe", meinte Altmaier. Dies gelte für den Staat wie für Unternehmen. "Unbürokratische und dezentrale Lösungen, die der Beirat etwa für die Arbeit im Homeoffice befürwortet, können uns hierbei weiterbringen."

(axk)