"Tickende Zeitbombe": Was an den Warnmeldungen zur Playstation dran ist

Eine fragwürdige Design-Entscheidung bei der Playstation 3 und 4 sorgt für Aufsehen: Theoretisch könnten in Zukunft alle Spiele unspielbar werden. Theoretisch.

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Gaming-Branche

(Bild: dpa, picture alliance / Sebastian Gollnow/dpa)

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Die Playstation 3 und 4 sind tickende Zeitbomben, titeln viele Medien, Social-Media-Threads und Youtube-Videos: Spiele, die heruntergeladen oder auf CD gekauft wurden, könnten in Zukunft nicht mehr gestartet werden. Damit das eintritt, müssen allerdings mehrere Dinge passieren.

Das Problem betrifft den CMOS-Chip, der in jeder Playstation eingebaut ist, um die Uhrzeit zu speichern. Ist dessen Batterie leer, verweigert die Playstation den Dienst. Das ist bei Spielkonsolen und anderer Hardware ein gängiges Problem. Auf Playstation 3 und Playstation 4 wird es aber verschärft: Austauschchips verlangen neue Uhrzeitinformationen, die es nur bei Verbindung mit Sonys Servern des Playstation Networks (PSN) gibt. Solange die Uhrzeit vom Server nicht bestätigt wird, können Videospiele auf den Konsolen nicht gestartet werden.

Diese fragwürdige Entscheidung hat Sony bei der PS4 wohl aufgrund der Achievements getroffen, die man in Playstation-Spielen freischalten kann. Der Uhrzeit-Abgleich mit dem PSN soll verhindern, dass Spielerinnen und Spieler bei den Herausforderungen tricksen, indem sie manuell die Uhrzeit verstellen.

Dieses Design führt zu einem theoretischen Problem, das den Playstation-Konsolen nun vielerorts das Prädikat "tickende Zeitbombe" verleiht: Wenn Sony das PSN in Zukunft für die Playstation 3 und 4 abdreht, kann der CMOS-Akku zwar noch ausgetauscht werden, sich allerdings nicht mehr mit dem nun abgeschalteten PSN verbinden. Dann gäbe es keinen Weg für die Konsolen, die Uhrzeit zu bestätigen – die manuelle Einstellung wird nicht akzeptiert. Wer eine PS3 oder PS4 besitzt, könnte also die eigenen Spiele nicht mehr zocken, nachdem der eingebaute Akku den Geist aufgegeben hat.

Für viele Spiele-Fans ist das eine schlimme Vorstellung. Doch wie realistisch ist sie? Das Szenario setzt zwei Entwicklungen voraus. Erstens muss das PSN für die betroffenen Konsolen abgeschaltet werden. Bisher gibt es allerdings keine Hinweise darauf, dass Sony diesen Schritt in absehbarer Zeit plant. Es ist denkbar, dass das PSN-Aus der beiden Konsolen Jahre oder gar Jahrzehnte in der Zukunft liegt.

Zweitens geht das Worst-Case-Szenario davon aus, dass Sony den Gegencheck beim PSN nicht einfach rechtzeitig deaktiviert, bevor die Server abgeschaltet werden. Das könnte relativ unkompliziert per Firmware-Update geschehen: Sony könnte den Konsolen etwa erlauben, auch bei unbestätigter Uhrzeit Spiele wiederzugeben. Der eigentliche Zweck des Uhrzeit-Checks, nämlich das Verhindern von Tricksereien bei Achievements, wäre bei abgeschaltetem PSN ohnehin hinfällig – ohne Server keine Trophäen. Spielerinnen und Spieler könnten in diesem Fall also keine Herausforderungen mehr abschließen, ihre Lieblingsgames aber weiterhin auf den alten Konsolen spielen.

Alternativ könnte Sony zumindest Authentifizierungsserver weiter für die PS3 und PS4 laufen lassen, wenn die eigentlichen PSN-Server offline gehen. Ob Sony eine dieser Lösungen in Zukunft umsetzen wird, ist unklar. Das Unternehmen hat sich nicht zur Problematik geäußert – solange das PSN läuft, gibt es keinen dinglichen Anlass dazu.

In den vergangenen Tagen fand das schon jahrelang bekannte Design-Problem der Playstation-Konsolen, von dem auch die PS5 betroffen sein soll, erneute Aufmerksamkeit. Sony kündigte an, dass der Playstation Store auf der PS3 im Sommer geschlossen wird, sodass keine neuen Spiele mehr gekauft werden können. Mit der "Zeitbomben-Problematik" hat das aber nichts zu tun: Weiterhin wird sich die PS3 problemlos mit dem Playstation Network verbinden können, das dem CMOS-Akku die Uhrzeit übermittelt.

Dass Sony seine Community überhaupt derart verunsichert, ist kritikwürdig – es gäbe geschicktere Lösungen für den Schutz der Achievement-Integrität. Einen akuten Anlass, um die eigene Spielesammlung zu fürchten, gibt es zum Zeitpunkt aber nicht: Falls das PSN wirklich irgendwann abgeschaltet wird, kann Sony seine älteren Konsolen relativ einfach vor dem Elektroschrott retten. Und selbst wenn Sony sich dagegen entscheiden sollte, bleibt technikversierten Retro-Fans immer noch der Jailbreak als Ausweg.

(dahe)