Forscher entwickeln weißestes Weiß gegen den Klimawandel

Die an der Purdue-Universtiät entwickelte Farbe soll nicht nur Sonnenlicht stark reflektieren, sondern auch die Temperatur gegenüber der Umgebung senken.

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Xiulin Ruan präsentiert die weiße Farbe.

(Bild: Purdue University)

Lesezeit: 4 Min.

Ein Forschungsteam der Purdue University im US-Bundesstaat Indiana hat eine Farbe entwickelt, die das Sonnenlicht zu 98,1 Prozent reflektieren kann. Sie übertreffen damit nach eigenen Angaben ihren eigenen Rekord vom Oktober 2020 mit einer Farbe, die 95,5 Prozent des Sonnenlichts reflektieren kann.

Messungen im Freien hätten ergeben, dass die Farbe in der Nacht Oberflächen um bis zu 10,5 °C kühler halten kann als die Umgebung. Auch könne sie in Mittagsstunden Oberflächen um gut 4 °C gegenüber der Umgebung abkühlen. Das funktioniere auch im Winter bei einer Außentemperatur von 6 °C, hätten Messungen ergeben.

Die Forschenden meinen, mit der Farbe einen Beitrag im Kampf gegen den Klimawandel leisten zu können. Wenn Gebäude damit beschichtet würden, bräuchte es weniger Klimaanlagen. "Wenn Sie diese Farbe verwenden würden, um eine Dachfläche von etwa 92 m2 abzudecken, können Sie eine Kühlleistung von 10 Kilowatt erzielen", erläutert Maschinenbau-Ingenieur Xiulin Ruan von der Purdue University. Das sei leistungsfähiger als die zentralen Klimaanlagen, die in den meisten Häusern verwendet werden.

Herkömmliche Farben, die darauf ausgelegt sind, Wärme abzuleiten, reflektieren nur 80 bis 90 Prozent des Sonnenlichts und können Oberflächen nicht kühler machen als ihre Umgebung. Vielmehr werde herkömmliche weiße Farbe eher wärmer als kühler, erläutern die Purdue-Forscher. Das sei mit der neuen Farbe anders.

Eine Infrarotkamera zeigt, wie eine Probe der weißen Farbe das Brett unter die Umgebungstemperatur kühlt.

(Bild: Purdue University / Joseph Peoples)

Dafür sorge zum einen eine hohe Konzentration von Bariumsulfat, die das auch in Fotopapier und Kosmetika verwendet wird. Zum anderen enthalte die Farbe Bariumsulfatpartikel in unterschiedlichen Größen bis in den Nanobereich, wodurch ein größerer Bereich des Lichtspektrums reflektiert werde. [Update: Die Farbe hat dadurch zudem mit 0,96 eine recht hohe sky window emissivity, strahlt also Wärme gut ab.]

"Eine hohe Konzentration von Partikeln, die auch unterschiedlich groß sind, verleiht der Farbe die breiteste Spektralstreuung, was zu der höchsten Reflexion beiträgt", sagte Joseph Peoples, Purdue-Doktorand im Maschinenbau. Die Menge der Partikelkonzentration hat aber auch ihre Grenzen. Je höher die Konzentration, desto eher bricht die Farbe oder blättert ab.

In ihrem Projekt haben die Forschenden auch aufgezeigt, dass die Farbe auf Bariumsulfatbasis wie kommerzielle Farbe mit Außenbedingungen zurechtkommen könne. Auch könne sie mit einem Verfahren hergestellt werden, wie er heute schon für die Herstellung von Lack verwendet wird.

Die neue weiße Farbe ist das Ergebnis von sechs Jahren Forschung. Sie baut auf Versuchen aus den 1970er Jahren auf, Strahlungskühlfarbe als machbare Alternative zu traditionellen Klimaanlagen zu entwickeln. Ruans Labor hatte über 100 verschiedene Materialien berücksichtig, auf 10 reduziert und rund 50 verschiedene Formeln für jedes Material getestet. Ihre vorherige ultraweiße Farbe bestand aus Calciumcarbonat.

Das Purdue-Weiß könnte die Entsprechung zum "schwärzsten Schwarz" sein, Vantablack genannt. Diese Farbe absorbiert 99,965 Prozent des Lichts. Diese ursprünglich für hochpräzise Regel- und Messtechnik entwickelte Beschichtung kann in optischen Geräten wie Kameras oder Teleskopen Streulicht z. B. innerhalb von Tuben und Objektiven oder am Amaturenbrett unter Auto-HeadUp-Displays minimieren. Es ist sehr temperaturunempfindlich und dabei hoch leitfähig.

Die Purdue-Forschenden erwähnen es in ihrer Mitteilung nicht, aber andere Forschende haben angeregt, Dächer und Straßen von Städten zu weißen, um so die unter anderem durch schmelzendes Meereis abnehmende Albedo der Erde auszugleichen. Etwas ähnliches wurde in Kalifornien bereits umgesetzt. Allerdings ergeben sich dadurch auch Nebenwirkungen.

(anw)