Urheberrechtler: "Wir sollten uns das Zitatrecht nicht erkaufen müssen"

Die geplante Urheberrechtsreform mit Upload-Filtern, roten Löschknöpfen, Inhalteschnipseln und Vergütungsregeln stand bei den Grünen auf dem Prüfstand.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 90 Kommentare lesen

Hornschuh, Rößner, Peifer, Reda, Erhard Grundl (Kulturpolitiker der Grünen) & Moderator Chris Piallat (Grüne)

(Bild: gruene-bundestag.de)

Lesezeit: 6 Min.
Inhaltsverzeichnis

Der Kölner Urheberrechtler Karl-Nikolaus Peifer hat den Regierungsentwurf zur Urheberrechtsreform an einem entscheidenden Punkt scharf kritisiert: "Es kann nicht richtig sein, dass wir uns das Zitatrecht erkaufen müssen", betonte der Professor am Freitag auf einer Online-Konferenz der Grünen zu der laufenden Novelle unter dem Motto "Fair für alle". Dies sei "offensichtlicher Unsinn". Gleiches gelte etwa für das Karikatur- oder Parodierecht.

Stein des Anstoßes: Das umstrittene Konzept der "mutmaßlich erlaubten Nutzungen" der Bundesregierung sieht vor, dass Plattformen wie Facebook und YouTube hochgeladene Inhalte nicht schon vorsorglich durch Upload-Filter blockieren dürfen, wenn der User sie als erlaubt gekennzeichnet hat und alles im geringfügigen Maß bleibt. Dabei muss es sich um Kombinationen von Auszügen zu den Zwecken von Zitat, Karikatur oder Parodie mit anderen Werken handeln.

Zu diesen bereits jetzt generell legalen Nutzungsmöglichkeiten hat die Exekutive Pastiche hinzugefügt, wie es die überarbeitete EU-Urheberrechtsrichtlinie vorsieht. Im Gegenzug soll die Inanspruchnahme all dieser Nutzerrechte aber erstmals vergütungspflichtig werden.

Auch die Definition von Pastiche in dem Gesetzentwurf bezeichnete Peifer als hochproblematisch. "Keiner weiß, was das ist", meint der Professor. Im Kern handle es sich um ein künstlerisches Ausdrucksmittel. Laut der Regierung solle nun "jedes Mem, jeder Remix, jedes Mashup" darunter fallen. Mit der Kunst dürfte es da teils nicht weit her sein. Es werde möglicherweise dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) obliegen, die hierzulande aufgestoßene "ganz weite Tür" enger auszulegen.

Das war Wasser auf die Mühlen des Musikers Matthias Hornschuh. Er kritisierte den Regierungsplan, wonach 15 Sekunden je eines Filmwerks oder Laufbilds und einer Tonspur, 160 Zeichen eines Texts sowie 125 Kilobyte eines Fotos oder einer Grafik unter die widerlegbaren Bagatellausnahmen fallen sollen. 125 Kilobyte im Browser könnten bei einer Vektorgrafik rasch 1,5 Megabyte ausmachen, gab der Vertreter der Initiative Urheberrecht zu bedenken: "Ein Bild ist Freiwild ab dieser Stelle". Da es dann selbst bei einem Einspruch bis zu "einer Woche oben bleiben" dürfe, sei der Urheber damit raus aus dem Markt.

Auch die 15 Sekunden Audio oder Video bezeichnete Hornschuh als beliebigen Wert. Damit seien "soviel Inhalte zu verklappen, dass es ein Problem ist". Die gesamte Klausel stoße daher auf "tiefstes Unverständnis der gesamten Musikerszene". Damit würde ein Zitat "unfassbar" ausgeweitet.

Wenn es schon konkrete Werte sein sollten, gehören diese für den Komponisten in eine Verordnung, die sich einfacher anpassen lasse. Dass vertrauenswürdige Rechteinhaber einen "roten Knopf" zum unverzüglichen Blockieren insbesondere von "Premiuminhalten" erhalten sollten, helfe dem Gros der Künstler nichts. Zudem sei zu hören, dass die Koalition diese Option nur Sportrechteinhabern eröffnen wolle.

Das Zitatrecht sei ein "elementarer Ausdruck der Meinungs- und Wissenschaftsfreiheit", der noch nie vergütet worden sei, schlug sich Julia Reda von der Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) dagegen auf Peifers Seite. Selbst wenn allein eine Vergütungspflicht für Pastiche vorgesehen würde, könnte dies Nutzer und kleinere Anbieter benachteiligen. Große Plattformen wie YouTube würden dafür in der Regel pauschale Lizenzen erwerben. Wenn aber jemand etwa Fanfiction auf ein nicht-kommerzielles Portal hochlade, müsste er dafür eine Vergütung zahlen.

Reda erinnerte daran, dass die Bagatellgrenzen schon während des bisherigen Gesetzgebungsprozesses immer weiter zusammengestrichen worden seien. So werde vor allem die für die Internetkultur wichtige und verpflichtende Ausnahme für Pastiche mit so vielen Voraussetzungen versehen, wie sie im EU-Recht nicht vorgesehen seien. Vom Anspruch der Regierung, Upload-Filter möglichst unnötig zu machen, sei wenig übriggeblieben. Es sei daher vordringlich, zumindest deren Kollateralschäden in sehr engen Grenzen zu halten. Sonst habe auch eine ganze Generation, von der rund 200.000 auf die Straße gegangen seien, das Gefühl, "auf uns wird eh nicht gehört".

Es sei "extrem schwierig" in diesem Bereich, automatisierte Systeme einzusetzen, erläuterte die frühere EU-Abgeordnete ihre Bedenken. So gebe es keine urheberrechtlich verbotenen Werke, sondern nur illegale Nutzungen. Diese hingen von ganz vielen Kontextinformationen ab. So könne etwa eine Lizenz außerhalb einer Plattform gekauft worden sein oder eine gesetzliche Erlaubnis bestehen. Die Filter machten zudem nur Dateien aus, was nicht gleichbedeutend sei mit potenziell geschützten Werken.

Außerdem habe der EuGH noch nie den Einsatz von Upload-Filtern zum Sperren von Inhalten ohne Richtervorbehalt zugelassen, unterstrich Reda. Die Luxemburger Richter könnten das ganze Konstrukt daher als grundrechtswidrig einstufen. Prinzipiell sei es europarechtlich zwingend vorgeschrieben, "dass legale Nutzungen nicht gesperrt werden dürfen". Ein solcher Schritt wäre eine Form der Zensur.

Peifer lobte das "Pingpong-System" rund um die Bagatellnutzungen als "sehr klug und ausgefeilt". Zuerst habe der Nutzer die Nase vorn mit der Möglichkeit, gesetzlich erlaubte Inhalte hochzuladen. Eine automatisierte Blockade sei dabei "etwas schwieriger durchzuführen". Dazu komme die "Flagging-Möglichkeit für 48 Stunden", mit der Uploads als legal markiert werden könnten. Auserkorene Rechteinhaber könnten aber ausnahmsweise mit der Red-Button-Lösung sagen, "das muss auf jeden Fall runter". Dabei handle es sich um eine "prozessrechtliche Regelung", die der EuGH den Mitgliedsstaaten bislang immer zugestanden habe.

Das größere Problem ist für den Rechtswissenschaftler das früh im Urheberrechtsgesetz installierte Ausschließlichkeitsrecht der Künstler und der Verwerter. Dem "laufen wir jetzt 30 Jahre hinterher", hinreichende Schranken für die freie kreative Nutzung fehlten. An jedem Rädchen, an dem die Politik drehe, "schreit derjenige, dessen Fessel etwas stärker angezogen wird". Die Beteiligten dürften sich aber "nicht länger zerfleischen", sondern müssten wieder "in ein kooperatives Verhältnis kommen".

"Es wird erneut mit sehr harten Bandagen gekämpft", berichtete der grüne Fraktionsvize Konstantin von Notz. Klar sei, dass das Urheberrecht umfassend reformiert werden müsse. Der Gesetzgeber habe es viel zu lange verpasst, bestehende Gestaltungsräume sinnvoll zu nutzen. Das Urheberrecht und die jetzige Reform "emotionalisiert nach wie vor ganz stark", ergänzte die netzpolitische Sprecherin der Grünen, Tabea Rößner. Elementare Grundrechte von der Kunst- bis zur Meinungsfreiheit müssten gewahrt werden.

(bme)