Essbare Insekten aus dem Automaten

Der Automatenverkauf ist ein Pfeiler des japanischen Einzelhandels. Und er eignet sich bestens zur Einführung neuer Produkte.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 27 Kommentare lesen

(Bild: Victoriano Izquierdo / Unsplash)

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Martin Kölling

Der japanische Event-Manager Tatsuaki Morooka hat eine geflügelte Geschäftsidee: Insekten zum Essen, sei es frittiert in Dosen, getrocknet in Reiscrackern oder gemahlen als Pulver. Bereits 2019 begann er mit seiner lokalen Eventmanagementfirma Art Studio Wao den Onlineshop Hamaru Foods, um neue Geldquellen zu erschließen – gerade noch rechtzeitig, bevor die Covid-19-Pandemie das Eventgeschäft zerstörte. Nun landete er einen Marketinggag, der sein Unternehmen national wie global in die Medien brachte: Er verkauft seinen kribbeligen Gaumenschmaus in Automaten.

Für fünf bis acht Euro können Kunden an drei Standorten im Umkreis von Sasebo, einer Stadt auf der südjapanischen Insel Kyushu, neun Insekten kaufen, darunter Heuschrecken, Seidenraupenpuppen, Tauchkäfer und Zikaden. Die eingedosten Kerbtiere würden aufgewärmt wie frisch frittiert schmecken, referierte die Tageszeitung "Mainichi" die Behauptung von Morooka. Und er verspricht: "Wir würden gerne unser einzigartiges Produktangebot von Sasebo auf ganz Japan ausdehnen."

Die Wahl des neuen Einkommensstroms ist dabei außergewöhnlicher als die des Verkaufskanals. Das liegt weniger daran, dass Insekten zum Essen ein absolutes Novum in Japan wären. Zwar wurden schon vor dem Krieg Grashüpfer in einigen Inlandsregionen als Eiweißquelle geschätzt. Auch in Sojasauce und Zucker eingelegte Wespenlarven aus Nagano gelten schon lange als regionale Delikatesse. Aber ihr Genuss ist so selten, dass japanische Medien immer wieder über neue Ideen berichten.

Aussagekräftiger in Zeiten der Digitalisierung ist vielmehr, dass Morooka nicht nur auf den Onlinehandel setzt, sondern auf eine Besonderheit der japanischen Konsumkultur, den Automatenverkauf. Die sind seit Jahrzehnten ein wichtiger Vertriebskanal, auch wenn ihre Zahl in den vergangenen 20 Jahren um ein Fünftel gesunken ist.

Ende 2019 gab es immerhin noch 4,1 Millionen Verkaufsautomaten, die zumeist Brausen, Wasser, Tee oder Kaffee ausgeben. Bei ihnen decken sich viele Japaner auf dem Weg zur Arbeit, beim Wandern oder Spielen mit Getränken ein. Auch Suppen und Damenstrumpfhosen werden auf diesem Weg verkauft.

Darüber hinaus werden sie auch immer wieder als Marketingtrick genutzt, um Presse zu generieren. Die Rindfleisch-auf-Reis-Kette Matsuya verkaufte schon mal ihre preiswerten Speisen im Automaten. Andere spezialisieren sich auf Samurai-Produkte. Wieder andere Anbieter verkaufen Austern über die Geräte. Und immer wieder geistern Berichte über Verkaufsmaschinen für getragene Damenunterwäsche durch westliche Medien.

Post aus Japan

Japan probiert mit Elektronik seit jeher alles Mögliche aus - und oft auch das Unmögliche. Jeden Donnerstag berichtet unser Autor Martin Kölling an dieser Stelle über die neuesten Trends aus Japan und den Nachbarstaaten.

Auch die Pandemie wird genutzt. Ein Automatenhersteller hat eine Maschine entwickelt, bei der Kunden die Knöpfe pandemisch-korrekt mit den Füßen und nicht mehr mit dem Finger drücken müssen. Ein Doktor verkauft nun sogar Corona-PCR-Tests in sieben Automaten im Großraum Tokio. Selbst Convenience-Store-Ketten entdecken ihren Erzrivalen als Mittel zur Kostensenkung. Die Mini-Supermarktkette 7-Eleven rüstete Geschäfte schon mal mit ein paar Automaten auf, um nachts nicht mehr personalintensiv den gesamten Laden zu öffnen. Auch in Bürohochhäusern, die nicht selten im Untergeschoss einen der sogenannten Konbinis haben, wird teilweise nun ein größeres Sortiment am Automaten verkauft, um Personalkosten zu sparen.

Ein neuer Trend ist zudem die dezentralisierte Ausgabe von Lebensmitteln, die Kunden über Apps online bestellt haben, in einer Art Kühlschrank. Gemüse gehört dabei ebenso zum Sortiment wie Fleisch. Auf diese Weise können Kunden, die nicht den ganzen Tag zu Hause auf die Lieferungen von traditionellen Lebensmittelkooperativen oder neumodischen Online-Supermärkten warten können, auf dem Heimweg von der Arbeit kontaktlos und bequem einkaufen gehen. Bei so viel Vielfalt sollte es nicht verwundern, dass auch Insekten maschinell verkauft werden.

(bsc)