Long Covid: Dauererschöpfung in Krisenzeiten

Long Covid ist in einer leistungsfixierten Gesellschaft der Super-Gau. Symbolbild: Gerd Altmann auf Pixabay (Public Domain)

Nach WHO-Schätzungen leben etwa 350.000 Menschen in Deutschland mit Spät- oder Langzeitfolgen einer Coronavirus-Infektion. Für Berufstätige kann das schnell zum existenziellen Problem werden

Beschrieben wird "Long Covid" meist als langwieriger oder dauerhafter Erschöpfungszustand, teils kombiniert mit Gelenkschmerzen und Atembeschwerden sowie Konzentrationsproblemen und Vergesslichkeit. Betroffen ist nach Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) etwa jede zehnte Person, die eine Coronavirus-Infektion durchgestanden hat. In Deutschland gab es inzwischen mehr als 3,5 Millionen registrierte Fälle - demnach dürften hier etwa 350.000 Menschen mit Spät- oder Langzeitfolgen zu kämpfen haben.

Laut einer französischen Studie, die am Montag im Fachmagazin Clinical Microbiology and Infection veröffentlicht wurde, leiden im Krankenhaus behandelte Corona-Patientinnen und Patienten sogar zu rund 60 Prozent auch noch sechs Monate später an mindestens einem der genannten Symptome, 25 Prozent sogar an mehreren.

Verhärtete Halsschlagader bei jungen Erwachsenen

Aber auch bei überwiegend jungen, nicht im Krankenhaus behandelten Infizierten sollen zum Teil verstörende Folgeerscheinungen auftreten, die erst und nach erforscht werden. Laut einem Bericht des Fachmagazins Experimental Physiology fand ein Forschungsteam der Appalachian State University in den USA heraus, dass das Virus auch bei vermeintlich milden Verläufen Arterien im ganzen Körper angreifen könnte. Eine Verhärtung der Halsschlagader, die das Gehirn mit Blut versorgt, kann demnach bei jungen Erwachsenen nach einer leichten Corona-Infektion bis zu vier Wochen anhalten, was eine Erklärung für Müdigkeit, Konzentrations- und Gedächtnisstörungen wäre.

Über Einzelschicksale wird in den letzten Monaten vermehrt berichtet, zum Teil wollen die Betroffenen aber nicht mit vollem Namen genannt werden. Unternehmen und Vorgesetzte reagieren zum Teil mit Unverständnis auf den Leistungsabfall von vermeintlich Genesenen.

Eine betroffene Mitarbeiterin der Berliner Zeitung konnte hingegen offen damit umgehen und den "langen Weg zurück in die Normalität" beziehungsweise einen Teil davon im April journalistisch verarbeiten. Arbeitsrechtler raten in solchen Fällen zu längeren Krankschreibungen, da krankheitsbedingte Fehler Kündigungsgründe sein können, wenn man offiziell nicht krank ist. Befristete Arbeitsverträge und Leistungsdruck können allerdings in Krisenzeiten auch zu anderen Risikoabwägungen führen.

Halbstündige Erörterung im Bundestag

Am Donnerstag vergangener Woche debattierte der Bundestag eine halbe Stunde lang über den Umgang mit Long Covid. Die FDP-Fraktion hatte in einem Antrag den unzureichenden Forschungsstand bemängelt und die Bundesregierung aufgefordert, gemeinsam mit den Ländern ein Long-Covid-Register zu erstellen, in dem verschiedene Fälle systematisch erfasst und analysiert werden. Außerdem müssten Forschungsstudien dauerhaft gefördert und gesetzliche Rahmenbedingungen geschaffen werden, um auf Long Covid spezialisierte Behandlungszentren einzurichten, wie sie in Großbritannien bereits geplant seien.

Die Bundestagsfraktion Die Linke forderte in einem eigenen Antrag die Anerkennung von Covid-19 als Berufskrankheit "insbesondere mit Blick auf etwaige Langzeitfolgen" sowohl für Angehörige besonders gefährdeter Berufsgruppen als auch für andere Beschäftigte, "wenn die Ansteckung arbeitsbezogen erfolgte". Zudem müssten flächendeckend unabhängige Beratungsstellen eingerichtet und Reha-Maßnahmen angeboten werden. Beide Anträge wurden nach der halbstündigen Debatte an den Gesundheitsausschuss überwiesen.

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